Die vierzig Tage des Musa Dagh



Erster Eindruck: Erinnerung an einen Völkermord

Gabriel Bagradian kehrt zusammen mit seiner Familie in sein Heimatdorf zurück, das am Fuße des Berges Musa Dagh in Armenien liegt. Doch der erste Weltkrieg steht kurz bevor, die Stimmung ist aufgeladen, und plötzlich kann die kleine Familie nicht mehr weiterreisen. Und Gabriels Befürchtungen werden wahr, bald werden die Bewohner des Dorfes eingekesselt und müssen Unterschlupf auf dem nahe gelegenen Berg suchen...

„Die vierzig Tage des Musa Dagh“ von Franz Werfel beschreibt in einer eindringlichen Geschichte den Völkermord an den Armeniern, der sich 2015 zum 100. mal jährt. Aus diesem Grud haben SWR, HR und NDR gemeinsam ein Hörspiel zu der Buchvorlage produziert, das nun auch beim Hörverlag als Kaufversion erhältlich ist. Die sich langsam entwickelnde Geschichte ist anspruchsvoll in Szene gesetzt worden und setzt den Fokus auf den Erzähler, der im Fortlauf der Handlung als roter Faden dient. Dabei hilft es ungemein, wenn man die Buchvorlage bereits kennt, denn die Handlung ist stark auf das Wesentliche verknappt, sodass viele Zusammenhänge im Unklaren bleiben, das Hörspiel bekommt etwas fragmenthaftes. Dennoch kann man auch so folgen, benötigt dann aber viel Aufmerksamkeit und Konzentration. Einfache Kost ist „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ nun wahrlich nicht, aber die sehr intensive Szenerie und die dramatischen Entwicklungen lohnen und machen das Hörspiel sehr hörenswert. Die schrecklichen Folgen des Krieges, die Unterdrückung eines Ganzen Volkes, grausame Morde – im Gegensatz dazu auch Zusammenhalt, tiefgehende Liebe und Aufopferung sind hier Themen und Leitmotive, die die historischen Entwicklungen begleiten und am sehr eindringlichen Beispiel des Gabriel Bagradian festmachen, aber auch andere Figuren sehr gelungen ausleuchten und facettenreich darstellen. Die bildhafte Sprache weiß dabei zu gefallen und setzt die Geschichte noch prägnanter in Szene.

Sebastian Blomberg ist als Erzähler eingesetzt und übernimmt dabei weite Teile des Hörspiels. Seine sehr markante, aber auch einfühlsame Stimme kann die Handlung in ganz verschiedenen Farben leuchten damit sehr gut wirken lassen. Alexander Fehling spricht Gabriel Bagradian mit einer sehr präzisen Sprechweise und einem Gespür für das richtige Timing, sodass seine Figur nicht nur glaubhaft, sondern auch sehr treffend und tiefgreifend umgesetzt wurde. Auch Vincent Leittersdorf kann als Ter Haigasun vollkommen überzeugen, mit einer gelungenen Betonung und viel Ausdruck in seiner Stimme passt er sehr gut in die Atmosphäre des Hörspiels. Weitere Sprecher sind Stefan Viering, Valery Tscheplanowa und Christian Grashof.

Die Übertragung des Buches in das Medium Hörspiel ist dezent und unaufdringlich, kann aber mit zahlreichen sehr stimmigen Melodien die Atmosphäre unterstützen. Auch die Geräusche sind sehr gelungen eingefügt und unterstreichen einige Szenen, wobei die Sprecher und ihre Dialoge niemals überdeckt werden und so unangefochten im Mittelpunkt stehen.

Der Hörverlag hat sich hier für ein sehr schlichtes Cover entschieden, der schwarze Hintergrund wird mit großen weißen Lettern und einigen roten Absetzungen in Szene gesetzt, was zusammen stimmig wirkt. Neben einigen Fotos von Sprechern auf der Rückseite liegt dem stabilen Digipack noch ein Booklet bei, das weitere Hintergrundinformationen zu dem fast dreistündigen Hörspiel enthält.

Fazit: Ein sehr eindringliches Hörspiel über ein schreckliches Verbrechen an einem ganzen Volk, über Krieg und Angst, aber auch über Zusammenhalt und Aufopferung. Das ist mit sehr ausdrucksstarken Sprechern und einer gelungenen Untermalung umgesetzt, wirkt aber wegen der starken Kürzung etwas mosaikstückhaft.

VÖ: 14.April 2015
Label: Der Hörverlag
Bestellnummer: 978-3-8445-1829-0

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