Im Jahr 2021 war ich zuletzt Gast in der Hildener Hörspielschmiede doch nun haben mich Marc Gruppe und Stephan Bosenius wieder bei sich empfangen.

In gemütlicher Atmosphäre sitzen wir zusammen und Plaudern über eine geheimnisvolle Autorin, über ein Hörspiel auf dessen Produktion scheinbar ein Fluch liegt und darüber ob das Gruselkabinett nach 200 Folgen die Pforten schließt.

Marc, Wir fangen einfach mal mit einer sehr provozierenden Frage an, zu der ich mehrere Kommentare gelesen habe: Ist mit Folge 200 denn jetzt bitte endlich Schluss im Gruselkabinett? Es kommen die Forderungen: „Sie sollen doch einfach aufhören. Die haben keine Vorlagen mehr, die Sprecher sind schlecht, es wird alles nur noch erzählt statt verhörspielt. Sollen sie doch mit Folge 200 aufhören.“ Und, tut ihr uns den Gefallen?

*lacht* Ich glaube nicht. Die Planung reicht momentan bis Episode 212. Wenn es wirklich niemand mehr hören würde, wurde es mit Folge 212 natürlich auch nichts mehr werden, dann wird es vorher aufhören.

Hört es denn noch jemand?

Ja, natürlich. *lacht* Tausende. Hunderttausende. Sicher, das würden wir ja sonst nicht machen und auch nicht machen können. Es gehen ja irgendwann die Lichter aus, wenn es nicht gehört wird und der Rubel nicht zurückrollt. Oft von uns zitiert, die große Heikedine Körting hat da ja einem Kollegen von dir relativ unfreundlich auf ein Fax geschrieben: „Es sind immer die gleichen zehn, die meckern.“ *lacht* Das war vielleicht nicht besonders nett und man macht es vielleicht auch nicht, da hat sie sich ja auch für entschuldigt. Ich finde das trotzdem einen wunderbaren Spruch, der oft hier im Haus zitiert wird. *lacht*

Wann wird denn die 200. Episode erscheinen? Nächstes Jahr?

Nein, das wird im Herbst 2026 so weit sein. Eigentlich wäre es im März 2027 so weit gewesen, aber das ist kein guter Veröffentlichungsmonat. Deswegen machen wir im Herbst vier Folgen, sodass dann auch die Folge 200 erscheinen wird. Aber wir wissen ja auch, eigentlich werden es nur 198 sein… *lacht* Wir schauen mal, ob wir bis dahin alles aufgeholt haben. Aber du merkst: Die Planung ist schon sehr weit gediegen und ich habe überhaupt nicht das Gefühl, dass uns die Stoffe ausgehen. Ganz im Gegenteil: Wir haben noch so tolle Sachen gefunden. Aber es gibt natürlich Vorlagen wie jetzt „Die Weiden“, wo ganz viel passiert, was tatsächlich nur einer erlebt. Und dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder man macht die ganze Zeit nervige Selbstgespräche, was auch sehr anstrengend zu hören sein kann, oder man fährt einen Mix, dass es eine personale Erzählerstimme gibt und parallel die Handlung drunterläuft.

Aber die ganzen Fachleute haben ja schon geschrieben, dass man da so ein tolles Hörspiel draus hätte machen können. Es ist wieder nur gelesen…

Ja, dann sollen die Fachleute es doch selber machen. *lacht* Und es stimmt ja auch überhaupt nicht. Also, ich kann mich an sehr viele Spielszenen in „Die Weiden“ erinnern. Und schlechte Sprecher kann ich dafür auch überhaupt nicht durchgehen lassen. Da muss ich mich entschieden vor meine Schauspieler stellen. Ich fand das unfassbar gut, was Peter Lontzek im Dialog geboten hat, und vor allem was er als Erzähler kann. Das haben wir jetzt das erste Mal mit ihm ausprobiert, wir haben ja schon mal mit ihm gearbeitet und mögen ihn auch persönlich sehr gerne, aber ich hatte ihn bisher noch nicht mit so großen Erzählparts besetzt. Er hat aber schon sehr viele Hörbücher gemacht, es war trotzdem ein kleines Risiko. Und es hat mich umgehauen, was er da von jetzt auf gleich geboten hat. Ich habe ihm so gerne zugehört. Und David Barton finde ich eine ganz tolle Entdeckung, der den Schweden gesprochen hat. Ich war sehr glücklich mit den beiden – sehr!

Aber gefühlt seit Folge 100 schreiben ja ganz viele, dass es immer weniger Spielszenen gibt. Würdest du auch sagen, dass das jetzt vermehrt der Fall ist als in den früheren Folgen?

Das ist doch eigentlich ganz klassisch in der Gruselliteratur, dass zwei sich irgendetwas erzählen. Und dann passiert eventuell etwas Unheimliches – oder eben auch nicht. Nee, das sehe ich nicht so.

Der Sprechercast ist angeblich sehr zusammengeschrumpft und es kommen nicht mehr so viele verschiedene Stimmen vor.

Wenn ich mir dann aber anschaue, wer da so bei uns spricht, ist das aber Jammern auf ganz hohem Niveau. *lacht* Es gibt natürlich die Leute, die immer wieder nach neuen Stimmen fragen. Aber das ist nicht unser Gedanke. Wir wollten von Anfang an ein Ensemble haben, wie das früher beispielsweise auch in den glorreichen Europa-Jahren war. Da gab es ja auch ein Ensemble rund um Heikedine Körting, wenn wir mal die 70er Jahre nehmen. Und bei Konrad Halver und Dagmar von Kurmin war das genauso. Das sind immer wieder die gleichen in den Karl May-Hörspielen oder den Märchen. In den späten 70ern und frühen 80ern waren es bei Heikedine Körting immer wieder die gleichen – ich habe es nicht durchgezählt, aber lass es mal 30 Leute sein. Franz-Josef Steffens, Marga Maasberg, Marianne Kehlau, Hans Clarin, Reinhilt Schneider, Regina Lamster, Bernd Kreibich, Ursula Sieg und wie sie alle heißen. Wenn man das mal aufsummiert, ist das auch kein Riesen-Ensemble gewesen, im Gegenteil. Wir haben ja sicherlich mittlerweile mit weit über 400 Schauspielern zusammengearbeitet, kennen viele und wissen immer ganz genau, wen wir für gewisse Partien anrufen. Uns ist dabei ganz wichtig, dass das dann Schauspieler sind, die nicht nur von ihrer fachlichen Kompetenz gut auf die Rollen passen, sondern dass es auch Menschen sind, mit denen wir persönlich gut harmonieren. Ich erzähle das ja immer wieder: die atmosphärischen Hörspiele fangen schon im Studio bei den Aufnahmen an. Wenn ich die Wahl habe zwischen einem neuen Schauspieler, mit dem ich bisher noch nicht gearbeitet habe und bei dem man nicht weiß, was da am Ende rauskommen wird, oder einem Schauspieler, der das total gut machen kann und der unglaublich angenehm im Umgang ist, mit dem ich einen seelischen Gleichklang in unserer Arbeit habe, dann rufe ich im Zweifelsfall natürlich den an. Das wird sich auch nicht mehr ändern. Es kommen ja im Übrigen auch immer wieder neue Schauspieler bei uns zu Wort. Wir haben in der Staffel vom Herbst 2023 Katharina von Keller zum ersten Mal dabei, die einen ganz grandiosen Einstand gehabt hat. Und sie hat auch sehr gute Gene für diese Art von Stimm-Arbeit, denn sie ist die Tochter von Sven Dahlem, den wir noch alle als Sven H. Mahler kennen. Ein Urgestein der Europa-Hörspiele. Er war Till Eulenspiegel, eine der ersten Produktionen des Labels. Er hat ganz viele Märchenerzählerrollen übernommen, war im „Wirtshaus im Spessart“ dabei. Ein Sprecher der ersten Stunde. Mit Sven Dahlem haben wir auch gearbeitet und vor einigen Jahren hat er mir von seiner Tochter erzählt, und jetzt haben wir sehr schöne Rollen für Katharina von Keller gehabt. Das war großartig, sie kann so viel, ist super vorbereitet gewesen und wahnsinnig nett im Umgang – so wünscht man sich das. Wir haben in Blitzgeschwindigkeit ein unfassbar gutes Ergebnis erzielt und waren alle ganz glücklich, als wir auseinander gingen. Gleiches gilt für Jesse Grimm und David Barton, die jetzt zum ersten Mal dabei sind – aber mir war auch vorher klar, dass sie super in unser Ensemble passen würden. Das hat sich dann voll und ganz bestätigt. Insofern sind wir vielleicht ein bisschen mäkelig und vorsichtig mit der Besetzung von neuen Stimmen, weil wir eine nachvollziehbare Sehnsucht haben, dass eben Uschi Hugo mal wieder zu hören ist, oder Arianne Borbach, die Liste ist lang von denen, die schon mal dabei waren und die wir gern noch einmal sehen und vor allem hören wollen. Das sind immer tolle Ergebnisse, gerade wenn Schauspieler schon einmal bei uns gesprochen haben und wissen, wie wir im Studio die Sachen erarbeiten, die aber vor allem auch wissen, wie es am Ende im Zusammenschnitt und in der Mischung dann rauskommt. Das Ergebnis ist in diesem Fall immer nochmal besser, weil von Anfang an völlig klar ist, wo die Reise hingeht. Das ist bei einem Erstkontakt manchmal nicht so, da muss man sich erstmal beschnuppern und ich muss schauen, auf welche Knöpfe ich regiemäßig drücken muss, um das zu kriegen, was ich brauche. Manchmal ist das ein bisschen anstrengend, und manchmal kommt auch gar nichts dabei heraus. Das ist sehr selten, aber es kam leider auch schon vor. Insofern – gerade in Krisenzeiten, in denen es von den Arbeitsumständen schon schwierig ist – macht man es sich nicht noch freiwillig schwieriger, sondern geht lieber auf Nummer sicher und ruft den Superprofi an, den man schon kennt.

Stephan: Nach zwanzig Jahren ist das auch ein sehr organischer Prozess, das entwickelt sich einfach so. Wenn du neu bist, hast du ständig neue Kontakte und Stimmen. Und nach zwanzig Jahren nimmt man eben eher die Lieblinge. Obwohl ich auch finde, dass immer wieder neue Leute mit dabei sind.

Die Weiden“ besteht fast ausschließlich aus zwei Leuten. War es eine besondere Herausforderung, die Geschichte dennoch so stimmungsvoll zu gestalten?

Nein, das fand ich nicht. Die Atmosphäre, die die Schauspieler heraufbeschworen haben, fand ich schon super. Ich habe mir in dieser Folge sehr viel Mühe mit der musikalischen Untermalung gegeben, weil es ja nur schwer einzufangen ist, was die Weiden da mit den beiden Kanufahrern machen. Unser Carsten Bunse, der für uns ja seit der allerersten CD die Mischung betreut, hat unglaublich viel an Geräuschen rangekarrt – Blätterrauschen in ganz unterschiedlichen emotionalen Schattierungen zum Beispiel und so weiter. Aber das läuft sich ja irgendwann auch tot, also war es ganz klar, dass das Schaurige vor allem auch über die musikalische Schiene erzählt werden muss – dafür kennt man uns ja auch. Ich bin da super zufrieden, wie es im Zusammenspiel dann rauskam. Stephan ist ja immer der erste Kritiker, der es vorgestellt bekommt und war auch voll des Lobes. Aber das kennen wir im Grunde schon, dass Hörspiele, die im Team besonders wertgeschätzt und geliebt wurden, oft genau die Hörspiele sind, die bei einer gewissen Klientel dann gar nicht ankommen. Das tut uns auch wirklich sehr leid, denn wir machen das ja nicht, um die Leute absichtlich zu ärgern, wenn sie unzufrieden mit etwas sind. Vielleicht muss man das nochmal so ausdrücklich sagen. Das ist genau wie bei einem Opernsänger, der geht ja auch nicht auf die Bühne, um absichtlich so zu singen, dass die Leute hinterher „Buh“ rufen. Da spielt ja viel auch die eigene Erwartungshaltung des Hörenden eine Rolle, der eigene Geschmack, dem einen gefällt vielleicht eine Stimme in der Besetzung nicht so und er hätte lieber wen anders gehabt. Aber das sind alles müßige Dinge. Diejenigen, die sich vielleicht vorurteilsfrei auf so eine Inszenierung einlassen, werden bestimmt ein schönes Erlebnis gehabt haben. Also, ich habe es sehr gerne umgesetzt, tolle Geschichte, tolle Besetzung, tolles Cover. Aber die Geschmäcker sind und bleiben eben verschieden.

Auch die Cover werden ja aktuell zerrissen, sie seien nicht mehr so gut wie früher, dass vieles jetzt am Computer entsteht, sich sehr ähnlich sind.

Aber ist das bei anderen Firmen anders? Ohne Namen nennen zu wollen, aber da gibt es Kollegen, bei denen die Cover seit Jahrzehnten sehr gleich aussehen. Ich denke, dass darf man auch gar nicht zu persönlich nehmen. Wir sind ja auch ein ganz kleines Label. Es gibt Riesenkonzerne, die hinter Sachen wie TKKG, den Drei ??? oder Bibi Blocksberg und Benjamin Blümchen stehen. Und dann hört es ja auch schon so langsam auf mit Serien und Reihen, wo es um die 200 Folgen gibt. Danach kommen wir dann schon relativ schnell mit dem Gruselkabinett. Titania Medien ist eine sehr kleine Firma, die nach wie vor aus einem sehr kleinen Stab an Personen besteht. Das ist schon erstaunlich, dass wir das überhaupt hinbekommen haben. Ich erinnere mich aber auch, dass seit langer, langer Zeit an den Drei ??? rumgenagt wird, es aber immer noch gehört und geliebt wird. Die Hallen sind voll, die CDs verkaufen sich wie warme Semmeln, sogar die MCs und die LPs – und was es noch alles für Darreichung-Formen gibt, in denen die Drei ??? erscheinen. Und es wird dort seit 20, 30 Jahren immer wieder das Ende prophezeit. Da habe ich genau die gleichen Sachen gelesen, dass die Cover nicht mehr so schön wie früher sind, die Schauspieler nicht mehr so gut, die Geschichten nicht mehr so spannend und originell. Klar, bei so vielen Folgen wird sich zwangsläufig irgendwann irgendetwas wiederholen. Da müssen wir alle wohl mit leben. Aber wir im Team freuen uns immer noch total dran, jede neue Folge zu produzieren. Beispielsweise an „Der Ghoul“ mit dem großartigen Auftritt von Arianne Borbach, die ja schon seit der ersten Folge des Gruselkabinetts dabei ist. Und was war sie fantastisch in diesem neuen Auftritt! Oder dass Ikonen wie Jürgen Thormann uns immer noch zur Verfügung stehen und so eine gute Arbeit leisten, mit so viel Sachverstand da rangehen. Das ist einfach toll und uns macht es weiterhin wahnsinnig viel Freude. Wir haben für die nächsten weit über 20 Folgen schon sehr schöne Ideen und – wie wir finden – sehr schöne Cover.

 

Wo wir gerade bei den nächsten 20 Folgen sind: Wie wäre es denn mal mit „Das Grauen von Dunwich“? Das wird ja auch immer wieder gefordert, kommt es denn bis 2026?

Nein. *lacht* Das ist ja schon von Kollegen gemacht worden, auch nicht nur einmal. Ich möchte das wirklich gerne machen, es steht tatsächlich auch ganz oben auf meiner Leseliste, weil wir schon sehr weit in die Zukunft geplant haben. Und es ist im Grunde klar, dass der Herbst bei uns so gut wie immer mit einem Lovecraft aufmacht. Aber da habe ich jetzt schon sehr interessante andere Lovecraft-Texte gefunden, die wir als nächstes machen möchten. Aber es kann sehr gut sein, dass zeitnah nach 2026 der Dunwich-Titel auch dabei sein wird.

Ihr habt eine Folge, bei der ein wenig der Wurm drin ist: „Spuk in Ballechin House“. Sie wurde schon öfter verschoben. Woran liegt das?

Es ist einfach sehr schwierig, im laufenden Betrieb zwei nicht ganz unaufwändige Folgen nachzuholen. So wie wir das Hörspiel betreiben, ist das eine zeitraubende Sache. Das Jahr ist einfach zu voll mit den regulären Produktionen. Wir hatten hier seit zweieinhalb Jahren Katastrophenbewältigung und Bauarbeiten im Haus im laufenden Betrieb. Der Wille war immer da – und mit der 50. Folge von Sherlock Holmes, die damals auch ausgelassen werden musste, haben wir es auch noch geschafft, sie mittlerweile nachzuholen. Das waren ja auch zwei CDs! Das ging ganz gut und bis vor ein paar Wochen haben wir auch gedacht, dass wir das dieses Jahr nochmal hinbekommen, die beiden Gruselkabinett-CDs noch an das normale Programm dranzuhängen. Aber dadurch fällt natürlich Zeit weg, für März, April und Mai 2024 Dinge vorzubereiten und auf den Weg zu bringen. Jetzt sind die letzten richtig großen Bauarbeiten genau in diese Zeit geplatzt, da waren wir mit den Nerven leider so runter, dass das einfach nicht alles zu bewältigen war.

   

Wie ist denn da der Produktionsstand, habt ihr schon etwas aufgenommen?

Ja, tatsächlich. Wir haben schon eine Rolle aufgenommen, die aber tatsächlich nur ganz am Anfang dran ist. Es ist im Moment noch nicht zu Ende geschrieben, und das ist gerade genau das Problem. Dafür brauche ich einfach ein bisschen mehr Ruhe, weil das ein Stoff ist, den ich auch akkurat erzählen möchte. Es war sehr gut, dass ich damals vor Ort in Schottland in dem Ballechin House für 2 Wochen gewesen bin. Ich habe da auch sehr schönes Material für Social Media produziert. Man kann sich da schon sehr auf Spaziergänge freuen, zu Orten an denen es in der viktorianischen Zeit gespukt hat und auf Geschichten am Kamin, wo ich erzähle, was da so alles vorgefallen ist. Das war sehr atmosphärisch und schön – und da hat sich die Geschichte für die Hörspiele durch die Vor-Ort-Recherchen noch einmal sehr verändert, nachdem ich mir die besondere Stimmung des Ortes zu Gemüte führen konnte, die Gräber von den vorkommenden Personen gesucht und gefunden habe und noch einmal eine ganz neue Optik auf das große Ganze der Geschichte gewonnen habe, über das, was ich denke was damals wirklich passiert ist. Und das ist leider sehr aufwändig in Worte zu fassen, das braucht einfach noch ein bisschen.

Wollt ihr eine Prognose abgeben, wann es kommt?

Also, 2024 wird es wahrscheinlich auch nichts werden. Wir schleppen das noch ein bisschen mit. Lübbe hat den Titel jetzt aber erstmal mit unserem Einverständnis gestrichen, damit da jetzt nicht noch mehr Vorbestellungen ins Blaue auflaufen.

Jetzt schreitet das CD-Sterben ja auch noch weiter voran. Wie groß ist denn die Wahrscheinlichkeit, dass uns eine Lücke im CD-Regal entsteht?

Nicht so groß. Sherlock Holmes wird im Übrigen auf CD auf jeden Fall früher sterben als das Gruselkabinett. Die Titania Specials sind leider schon gestorben auf CD.

Wie lange kommt der Holmes noch auf CD?

Warten wir es mal ab, wenn wir sehen, was für März bestellt wird. Aber eigentlich sind wir jetzt schon an der untersten Grenze dessen, was gerade so eben noch wirtschaftlich vertretbar ist.

Wir haben schon seit einiger Zeit nichts mehr von Flaxman Low gehört. Wann wird es seine Rückkehr ins Gruselkabinett heben?

Er kommt wieder – nächstes Jahr ist er im Herbst wieder mit dabei. Das geht jetzt regelmäßig seinen Weg, ein Lovecraft, ein Flaxman Low, ein Abenteuer der Hargraves…

Darf die Tante denn endlich sterben? Da gibt es ja auch viele Menschen, die ihr den Tod an den Hals wünschen.

Wirklich? Also wir im Team lieben Tante Marilyn sehr und wünschen ihr ein langes Leben.

Stephan: Sie ist das Salz in der Suppe. Und es gibt ebenso viele, die uns schreiben, dass sie sie ganz toll finden und sich immer genauso auf die Tante freuen, wie wir.

Ihr habt vor Kurzem "Das Phantom der Oper" als Musical gesehen. Gibt es eine Geschichte aus dem Gruselkabinett, die ihr auch mal gerne auf der Bühne sehen würdet?

Stephan: Es gibt ja zumindest schon mal „Die Familie des Vampirs“.

Ja, das ist tatsächlich vom Hörspiel zum Theaterstück geworden. Die meisten von uns vertonten Stoffe sind ja sehr opernhaft. Da kann ich mir ganz viel für die Bühne vorstellen. „Mary Rose“ hat es jetzt ja auch Dank Dana Fischer vom Hörspiel zum Theaterstück geschafft.

Ihr habt zwei sehr besondere Folgen im Gruselkabinett geplant: „Schauermärchen“ der Brüder Grimm. Als sie angekündigt wurde, habe ich ja gedacht: Nein, das wird in der Luft zerrissen. Jetzt kam es aber sehr gut an, dass sich viele Leute drauf freuen. Worauf darf sich euer Publikum denn einstellen?   

Auf viel Blut, denn es wird sehr brutal. Wir setzen die Märchen in der Grimms Märchen-Reihe auch schon in 99,9 Prozent so um, wie es im Original steht und im Gruselkabinett gibt es jetzt natürlich gar kein Halten mehr. Bei der Sichtung der Märchen habe ich mir bei einigen Geschichten schon Vermerke gemacht, dass man diese nur im Gruselkabinett vertonen kann – in Grimms Märchen-Reihe, da hören ja auch viele Familien mit kleinen Kindern zu. Aber auf die sehr schauerlichen Märchen, da hatten wir große Lust drauf, diese unzensiert zu vertonen.

Wird es denn bei den beiden Folgen bleiben?

Ja, nur die zwei Folgen, das war es dann leider schon. Das sind die Hau-Drauf-blutigen Märchen mit abgeschlagenen Köpfen und aufgegessenen Kindern und all sowas.

Wie viele Märchen werden es insgesamt sein?

Sieben werden es auf beiden Folgen zusammen werden. Also zwei pickepackevolle CDs.

Aber es kommt nicht im Pappschuber, beide Folgen zusammen?

Nein, es kommt leider gar nichts mehr im Pappschuber. Das hat sich mit den kleinen Auflagen erledigt, die wir mittlerweile haben.

Stephan: Das ist in der Fertigung sehr teuer. Nicht nur der Schuber ist teuer, dann ist es auch noch keine maschinelle Packware mehr, das ist dann eine Handkonfektion. Das lohnt sich einfach nicht bei so Mini-Auflagen.

Nur, wenn man da große Auflagen mit bestücken kann, ist das wirtschaftlich. Insofern kommt da im Mai die erste Folge der Schauermärchen und im September dann die zweite.

Es gibt ja noch andere klassische Stoffe als die Gruselgeschichten. Zum Beispiel Abenteuergeschichten wie „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“. Wie wäre es denn mit so etwas, dem „Abenteuerkabinett“?

Ich finde, dass das in der alten Hörspielzeit wirklich alles schon sehr gut umgesetzt worden ist. Bei ganz vielen Sachen hätte ich gar nicht das Gefühl, dass ich da noch etwas zu sagen brauche, weil es schon so auf den Punkt gebracht worden ist von unseren Vorgängern. Das würde mich gar nicht so sehr reizen, diese Stoffe nochmal anzufassen.

Wie ist es denn mit gendern in euren Hörspielen? Bereinigst du da etwas? Auch wenn etwas heutzutage als unpassend empfunden wird?

So wenig wie möglich. Das muss man auch in der Zeit sehen, in der die literarischen Vorlagen entstanden sind. Es ist eher so, dass Doktor Daniela Stöger und ich genug zu tun haben, die rassistischen Entgleisungen früherer Zeiten so zu minimieren, dass das für heute dann noch funktioniert. Gerade bei Lovecraft und Robert E. Howard, die in ihrer Zeit das eben so geschrieben haben, wie das für ihre Zeit ganz normal war – höhere Upper Class-Mitglieder, weiße Leute – aber das geht heute einfach nicht. Das sind die eher die Dinge, wo wir dann eingreifen müssen.

Grimms Märchen“ läuft nun auch schon einige Zeit. Wollt ihr einmal alle Märchen der Brüder Grimm umgesetzt haben, wenn es gut läuft?

Nein, da sind zu viele dabei, die nicht gut sind und auch nicht umgesetzt gehören. Da sind ganz viele kleine Episödchen, die wenig hergeben und die man auch gar nicht zur Kenntnis nehmen braucht. Aber es gibt ja einen ganzen Stab an schönen Vorlagen der fleißigen Brüder Grimm, die vertont werden sollten. Unsere Planung geht da aktuell bis Folge 30, weiter haben wir jetzt noch nicht geschaut. Aber Das sind dann schon 90 Märchen, das ist ja fast die Hälfte, von denen, die es gibt – also circa 200. Wobei da eben auch so Kinderlegenden und religiöse Legenden dabei sind, auch ein paar lyrische Texte mit Gedichten, auch Dinge in plattdeutschen Dialekten, von denen es gar keine hochdeutsche Fassung gibt, weil es auch nicht so erhebend ist, was da verhandelt wird.

Könntet ihr euch auch vorstellen, dann noch den einen oder anderen Autor zu vertonen?

Immer gerne, es ist nur ein Problem, das Ergebnis dann auch an den Kunden zu bringen. Solche Experimente generieren einfach nicht die Hörerzahl, die wir mit Sherlock Holmes oder dem Gruselkabinett erzielen. Insofern sind das so Dinge – um Dagmar von Kurmin zu zitieren, sie hat das immer über das Theaterspielen gesagt – „Ich brauche es für meine Seele“, diese Stoffe zu vertonen. Das macht mir einfach große Freude und dann mache ich den Grusel oder den spannenden Krimi anschließend wieder mit vollem Elan, wenn ich zwischendurch auch etwas Romantisches, Nostalgisches, Herzerwärmendes produzieren darf.

Wie steht es denn da mit der CD-Auflage? Erscheint Folge 30 noch als CD?

Das muss natürlich in erster Linie Pop.de entscheiden. Aber bisher haben wir noch keine Abbestellung erhalten.

Ihr habt dort nun auch einige der unbekannteren Märchen umgesetzt. Habt ihr bei diesen eine andere Herangehensweise oder eine andere Beziehung als bei den absoluten Klassikern?

Eigentlich nicht. Im Gegenteil: Das fordert mich richtig als Dialogbuchautor und Regisseur, auch diese Dinge so zu präsentieren, dass der Hörer am Ende von diesem eher unbekannten Märchen sagt: „Ach, das ist aber komisch, dass man das nicht kennt. Das ist ja wunderschön.“ Da soll die Reise immer hingehen. So ging es mir zum Beispiel bei „Die wahre Braut“, in Folge 14 (das dritte Märchen auf der CD). Das ist bei weitem nicht so bekannt, aber ich finde, das ist eine wunderbare Geschichte. Das hat alles geboten, was Carsten Bunse und ich in der Mischung so gerne an Feuerwerk abfeuern – mit Seen, die mit löchrigen Löffeln ausgeschöpft werden, mit Schlössern, die an einem Tag erbaut werden müssen, Ballszenen, schöne Kleider für die Prinzessin, die ja gar keine ist, und solche Dinge. Herrlich, wenn man da derart großartigen Schauspieler am Start hat wie Reinhilt Schneider, Ursula Sieg und Luise Lunow. Schon im Studio merkt man dann, dass es total super werden wird im Zusammenspiel aller Abteilungen.

    

Aber muss es denn immer Reinhilt Schneider als Prinzessin sein? Sie ist doch jetzt angeblich schon so alt und hat ja schon so oft immer die gleichen Rollen gespielt? *lacht*

Für uns ist es ganz wichtig, dass Reinhilt Scheider dabei ist. Ich bin im Übrigen auch immer wieder erstaunt, dass sie bei den vielen Prinzessinnen und verzweifelten Töchtern und Stieftöchtern immer noch in neuen Rollen Nuancen zu Gehör bringen kann, die ich bislang noch nicht von ihr gehört habe. Die  Zusammenarbeit ist einfach grandios mit ihr. Es ist ein großes Geschenk, dass man jemanden dabei hat, der über so viel Erfahrung verfügt, gerade in diesem Rollenfach der jungen Naiven. Das ist tatsächlich nicht mehr Reinhilt Schneiders Lebensalter, aber nach wie vor ihr Stimmalter. Ihre Stimme hat sich einfach nicht gleichmäßig zu ihrem biologischen Alter verändert, sie hat immer noch diese unglaublich jugendliche Stimme, aber gepaart mit einer großen, großen Erfahrung und einer bestechenden Kompetenz in diesen Rollen. Sie hat solche Rollen ja nicht nur in Hörspielen gesprochen, die Tochter in „König Drosselbart“ hat sie zum Beispiel auch in Hamburg auf der Bühne gespielt, viele andere Partien auch. Das sind mir sowieso die liebsten Schauspieler, die nicht nur das Mikrofon kennen, sondern ihre Kunst auch auf der Bühne vor Publikum kontinuierlich verfeinert haben.

Wie sehr beeinflussen euch die Märchen-Hörspiele, die ihr selbst in eurer Kindheit gehört habt, bei der Produktion eurer Märchen?

Sehr! Dadurch hat man ja erstmal eine Idee bekommen, wie so etwas umgesetzt werden kann. Wenn ich heute privat Hörspiele höre, dann sind das immer die Märchen, die Konrad Halver für Europa auf Schallplatte gemacht hat. Später hat das ja Heikedine Körting sehr schön übernommen, Dagmar von Kurmin hat übrigens sehr viele Dialogbücher für die Märchen geschrieben. Das höre ich immer noch wahnsinnig gerne, was die drei und auch Peter Folken gemacht haben in diesem Bereich. Aber es geht nicht darum, dass ich das für unsere Herangehensweise dann kopiere. In ihrer Zeit gesehen, war das wunderbar und richtig, das sind auch Klassiker, die man heute noch mit Genuss hören kann. Aber wir haben mittlerweile natürlich mit der Ausgestaltung ganz andere Möglichkeiten. Sprich die Soundeffekte, die Räume, die Geräusche, da ist natürlich viel mehr möglich. Wir können auch großzügiger mit Musikeinsatz sein. Es macht großen Spaß, im Grunde eine ähnliche Ästhetik zu haben, wie es damals die Herangehensweise der großen Kollegen war, aber das eben mit den technisch verfeinerten Mitteln von heute dann alles neu umzusetzen.

Und ihr setzt es ja auch originalgetreuer um, als es früher war. Ist dir das sehr wichtig?

Ja, wenn ich im Original einfach einen richtig schönen Satz vorfinde, dann finde ich, dass das auch so bleiben soll. Ich sehe dann keine Veranlassung, das irgendwie zu ändern. Alles, was erstmal original bleiben kann, finde ich sehr erfreulich, denn ich fühle immer eine große Verpflichtung den Originalautoren gegenüber. Da möchte ich schon mit viel Fingerspitzengefühl rangehen und nicht einfach so irgendetwas anders machen. Dann könnte ich ja direkt etwas Eigenes schaffen.

Herman Cyril McNeile habt ihr bislang als treuen „Co-Autor“ eurer Holmes-Reihe gehabt und habt Sherlock in seine Geschichten gesetzt. Jetzt ist eine Amy Onn angekündigt. Was dürfen wir von ihr erwarten? Gibt es die Dame tatsächlich oder ist es ein Pseudonym?

Es ist ein Pseudonym, aber ich stecke nicht dahinter. *lacht* Es sind alte Vorlagen, die wir durch langes Recherchieren gefunden haben, etwas, was wir jetzt quasi wieder zum Leben erwecken. Wir haben damit etwas Ähnliches gemacht wie im Fall der Herman Cyril McNeile-Vorlagen. In den Amy Onn-Geschichten ist nur Holmes vorhanden, wir werden aber unser Holmes-Universum, wie wir es in den letzten Folgen hatten, dort hineinimplementieren.

Von wem stammen die Geschichten im Original?

Stephan: Das ist tatsächlich eine deutsche Serie, aber man weiß es nicht genau, es gibt nur Theorien. Sie stammt aus dem Jahr 1906 oder 1907 und heißt „Aus den Geheimakten des Weltdetektivs“.

Es ist damals ohne Autorenangabe erschienen, wir brauchen aber jemanden, der da vorne auf dem Cover steht. Amy Onn war dann so freundlich, uns ihren Namen zur Verfügung zu stellen und man kann ja mal die Buchstaben ausschneiden und ein wenig puzzeln, dann wird man schon darauf kommen, was das in Wirklichkeit bedeutet. *lacht* Wir streuen solche kleinen Rätsel ja ganz gerne ein, um unsere geschätzten Hörer auch jenseits des Hörspiels ein bisschen zu beschäftigen. *lacht*

   

Hattet ihr denn keine Vorlagen mehr, dass ihr welche brauchtet?

Wir sind tatsächlich durch mit den Geschichten von Herman Cyril McNeile! Da gibt es noch einen sehr umfangreichen Roman, wo sein Detektiv und dessen Freund auftauchen. Aber der taugt nicht zu einer Vertonung durch uns. Wir mussten also etwas anderes finden. Ich schreibe ja auch gerne selbst Fälle für die Holmes-Serie, da fehlt aber einfach manchmal die Zeit. Das kann ich daher leider nicht andauernd machen. Ich bin da sehr froh, wenn ich eine gute Quelle habe, die ich als Vorlage nutzen kann, um letztlich dann etwas sehr Eigenes daraus zu machen. Da werden dann natürlich noch Geschichten um Holmes, Watson und das ganze andere Personal hereingewoben. Da kommt dann hoffentlich etwas sehr Schönes dabei heraus, ich freue mich jedenfalls sehr darauf. Die beiden Jungs aus der Baker Street werden auf jeden Fall in Zukunft mehr in der Weltgeschichte unterwegs sein. In der akustischen Umsetzung ist das für uns eine tolle Sache und das offeriert mir auch für die musikalische Seite ganz andere Möglichkeiten, wenn sie in Paris oder Berlin sind, in Amerika oder Kairo.

Stephan: Das gibt uns einfach die Möglichkeit, viel Lokalkolorit einfließen zu lassen, das ist immer auch sehr schön für die Hörer.

Wie viele Fälle hast du davon gefunden?

Stephan: Es gibt 230, glaube ich. Auf ungefähr 100 habe ich aktuell Zugriff – da haben wir erst einmal was zu tun. *lacht* Den Rest muss ich mir in den nächsten Jahren erarbeiten.

Ihr habt es wahrscheinlich mitbekommen: Der Pumuckl ist wieder auferstanden und mit ihm auch Hans Clarin als Stimme. Ich liebe die Figur und war sehr skeptisch, als ich von der Neuauflage gehört habe. Und dann kam das Foto, als der neue Meister Eder in der Werkstatt stand. Das sieht fantastisch aus, sie haben das ja sehr liebevoll nachgebaut. Als dann der Trailer kam habe ich gedacht, dass sie den Pumuckl nicht anders klingen lassen können – das ist für mich immer Hans Clarin. Als ich es dann gehört habe, standen mir die Tränen in den Augen.

Wir sind ja auch ganz große Fans und ich habe genau diese Stadien durchlaufen, die du so schön geschildert hast. Marlene und ich waren auch im Kino – und es hat mich umgehauen, mit wie viel Fingerspitzengefühl sie an dieses Thema herangegangen sind. Der kleine Marc, der damit großgeworden ist, hat alles bekommen, was er sich gewünscht hat. Es sieht alles genauso aus wie damals, sie haben auch eine Bildästhetik geschaffen und die Aufnahmen so gefiltert, dass das Material genauso aussieht, wie wir das gewöhnt waren. Auch das Stimmliche hat mich absolut umgehauen. Der Pumuckl hat wirklich seine Seele wiederbekommen. Es ist großartig, dass das möglich ist, sie haben das sehr, sehr gut gemacht und auch die Geschichte sehr schön aufgezogen. Die Hausmeisterin lebt aus dem Ursprungs-Ensemble lebt ja glücklicherweise noch, es gab tolle Szenen für Ilse Neubauer. Der Schauspieler, der den Florian Eder spielt, macht das großartig, vielleicht gibt es noch ein bisschen Luft nach oben im Zusammen-Spiel mit der Pumuckl-Figur, aber das ist auch schwer – Gustl Bayerhammer hat die Messlatte da sehr hoch gelegt. Aber ich denke, dass sich das über diese vielen Folgen sicher auswachsen wird. Der Mann ist großartig! Die Zeichnungen sind toll, das Bäuchlein ist da, so wie es sich gehört. Das war ja auch mal in der Diskussion, ob der Pumuckl verschlankt werden muss, um das politisch korrekt zu halten. Sie haben da aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und ich war beglückt. Bei der zweiten Folge im Kino habe ich so geweint, da geht es jetzt gerade schon wieder los, wenn ich nur dran denke. Es geht darum, dass der Pumuckl nicht so hundertprozentig verstanden hat, dass der Meister Eder nicht mehr wiederkommt. Und dann muss der Florian Eder dem Pumuckl erklären, was es bedeutet zu sterben. Und das ist so schön gemacht! Sie gehen dann auch auf den Friedhof und pflanzen zwei Geranien auf das Grab vom Eder. Der Pumuckl will ihn dann ausgraben, weil er gehört hat, dass der Eder da unten ist und er hat Angst um ihn, weil es da dunkel und kalt ist – ich habe geweint wie ein Schlosshund, das war richtig schlimm für mich. Das war auch wieder so etwas Typisches für den Pumuckl, er hat gesagt: „Ja, der Meister Eder ist gestorben, aber irgendwann muss ja auch mal Schluss sein mit dem Sterben, wann kommt er denn wieder?“ Wie der Florian Eder erklärt hat – und wie das damit auch den Kindern von heute erklärt wird -, dass das so leider nicht sein wird mit dem Wiederkommen, fand ich extrem schön. Da haben die Macher einen ganz tollen Job gemacht. Die dritte Episode des Kinofilms war wieder so eine Spaßepisode mit trotteligen Polizisten, Wasserbomben und all sowas, da haben wir so gelacht. Da war ich sehr froh, dass der Pumuckl in die richtigen Produzenten-Hände gekommen ist, das hätte ja in jeder Hinsicht gründlich schiefgehen können.

Könnt ihr euch auch vorstellen, diese Technik zu nutzen und Stimmen wiederzuerwecken?

Stephan: Wie sind da sehr unterschiedlicher Meinung – ich finde es ganz toll und würde sehr gerne.

Ich bin für den Einsatz in Hörspielen skeptischer, weil ich das zu sehr liebe, mit meinen Schauspielern die Texte zu erarbeiten und mir momentan noch nicht vorstellen kann, dass das ein Computer dann so macht, wie ich das gerne hätte.

Wen würdet ihr denn wiedererwecken wollen?

Stephan: Das sind so viele – Margot Leonard zum Beispiel, die deutsche Stimme von Marilyn Monroe. Sigfried Schürenberg mochte ich auch sehr gerne, aber noch ganz viele tolle Stimmen, die wir nicht mehr erwischt haben.

Ich weiß, dass ihr alle eure Hörspiele sehr liebt. Gibt es dennoch eine Lieblingsepisode von Sherlock Holmes, die ihr besonders mögt?

 „Die vierte Flasche“. Ich liebe Margery Mapleton, Mrs. Hudsons etwas anstrengende Cousine. Die beiden haben die Folge so toll aufgemischt. Das Zusammenspiel im Schnitt hinterher hat perfekt  gepasst.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mir hat ja besonders „Der zehnte Earl“ gefallen mit diesem unheimlichen Herrenhaus, in dem man gar nicht weiß, was da eigentlich vor sich geht.

Das war für mich auch sehr schön! Katharina von Keller ist ja ein neues Ensemblemitglied, aber sie hat diese Folge so wunderbar getragen. Das war so süßt, wie sie zu Anfang mit dem Watson umgegangen ist – sie hat nicht wirklich geflirtet, Kitty ist aber eine sehr angenehme Figur. Detlef Bierstedt hat das dann so jungenhaft gespielt, diese immer noch bestehende Verliebtheit in diese Frau. Die Besetzung war der Hammer – Peter Lontzek war toll als Earl, aber dann auch Jürgen Thormann, Lutz Mackensy, Ingeborg Kallweit, diese Hochkaräter noch einmal als Gruppe dabei zu haben, die seit Jahrzehnten die Hörspiellandschaft bereichern. Toll!

 

Viele eurer Sprecher sind ja schon vorangeschrittenen Alters. Wie machst du das mit den Aufnahmen, kommen die immer noch zu euch nach Hilden oder fährst du zu ihnen, trefft ihr euch in Hamburg?

Entweder bin ich direkt vor Ort im Studio oder ich werde übers Internet zugeschaltet und führe Regie, sie kommen schon alle noch ins Studio. Bei Jürgen Thormann war es nun eine Ausnahme, da er momentan wegen seiner eingeschränkten Beweglichkeit nach einem Sturz nicht in ein Studio kommen kann. Aber er hat mich stattdessen sehr lieb zu sich eingeladen, ich habe die Technik eingepackt und bin nach Berlin gefahren und wir hatten eine wahrlich wunderbare Aufnahmesitzung bei ihm. Das hat grandios geklappt, ich hoffe, dass wir so einen Termin noch einmal hinkriegen. Es ist immer etwas sehr Besonderes, wenn er Texte spricht, die ich geschrieben habe. Da geht mir das Herz doppelt und dreifach auf.

Euer Märchenerzähler Peter Weis ist ja vor kurzem leider verstorben. Wie habt ihr die letzten Aufnahmen mit ihm empfunden?

Das war relativ kurz vor seinem überraschenden Tod. Wir haben Ende März aufgenommen und er ist Anfang Mai gestorben. Und er war bei den Aufnahmen wieder so grandios, da haben wir noch bis zur Folge 17 der Grimms Märchen die Erzähltexte aufgenommen. Ich war sehr beglückt. Einerseits dass wir uns nach langer Zeit mit Corona und so weiter wieder einmal persönlich im Studio in Hamburg getroffen haben, andererseits dass er noch so gut disponiert war und wie großartig die Texte aus ihm herausflossen. Für jemanden, der so gerne und so gut gearbeitet hat, muss das eine große Gnade gewesen sein, dass es so ein plötzlicher Tod war. Am Abend vor seinem Tod hat er ja noch für eine Cartoon-Serie synchronisiert und seiner Frau anschließend bei einem Gläschen Wein erzählt, wie sehr er vom Synchronregisseur gelobt worden ist, dass er für alle nachfolgenden Generationen ein Vorbild sei. Da hat er sich sehr drüber gefreut. Am Nachmittag des nächsten Tages fiel er um und spielt jetzt auf einer anderen Bühne weiter. Das war auch für uns ein großer Schock und ein schwerer Schlag, weil er ein sehr besonderes Ensemblemitglied war. Peter hat sich sehr mit der Arbeit bei uns identifiziert, sich auch immer sehr eingebracht und mit seiner Meinung nicht hinterm Berg gehalten – die aber zu 95 % gut und positiv war. Er war voll des Lobes, aber wenn es etwas zu verbessern gab, hat er sich immer getraut, das auch zu sagen. Das war auch für mich eine große Bereicherung, so viel mit jemandem, der so gut war, zusammenzuarbeiten. Das weiß ja kaum jemand, aber Peter hat auch viel geschrieben und getextet, auch unter Pseudonymen. Er war mir auch immer eine große Unterstützung, wenn Formulierungen vielleicht mal nicht so hundertprozentig geglückt waren. Da kam er dann stets mit sehr sinnvollen Vorschlägen. Er hatte dann pro Grimms Märchen-Erzähltext vielleicht drei Post-Ist mit Anmerkungen in seinem Skript. Er hat meine Fassungen auch zu Hause immer sehr lieb mit dem Originaltext verglichen und mir sehr genau auf die Finger geschaut, was ich da gemacht habe. Wir waren dann auch überwiegend einer Meinung – manchmal eben auch nicht, aber da haben wir uns auf einer sehr professionellen Ebene austauschen können und dann war das auch in Ordnung. Ich vermisse Peter sehr. Gott sei Dank haben wir noch drei Folgen vor uns, bei der er der Erzähler ist. Und wir werden auch für danach bestimmt eine gute Lösung finden, die es im Moment aber noch nicht gibt. Das haben wir noch ein wenig vor uns hergeschoben, weil es einfach noch zu frisch ist und zu weh tut, ihn ersetzen zu müssen.

Was mir aufgefallen ist: Ihr hattet noch nie eine Erzählerin, warum nicht?

Im Gruselkabinett sind ja wenige Folgen dabei, die von einer weiblichen Person erzählt werden – „Die Unschuldsengel“ und „Das Phantom der Oper“. Wenn Frauen die Hauptfigur und gleichzeitig die Erzählerin sind, dann kommt es eben doch vor. Da das aber – und da hast du recht – relativ selten vorkommt in diesem sehr männerdominierten Gruselsektor, sind es eigentlich immer Männer, die diese Geschichten erzählen. Wenn Frauen überhaupt vorkommen, sind sie mehr so „schmückendes Beiwerk“ oder eben das Opfer – und wer am Ende stirbt, kann in der Regel die Geschichte dann nicht erzählen. *lacht*

Aber für die Märchen würde es sich ja anbieten, eine Erzählerin zu nehmen statt eines Erzählers.

Da bin ich ganz traditionell, ich möchte da lieber einen Mann hören. Keine Ahnung warum, aber das war schon immer so, dass ich tatsächlich Erzähler bevorzuge, auch wenn ich selber Hörspiele höre. Tatsächlich mag ich bei den Rollen, den Charakteren, aber tatsächlich die Frauen-Rollen immer lieber. Komisch. *lacht*

Braucht ihr mal eine kreative Pause?

Nein! Bloß nicht!

Macht ihr noch gerne Hörspiele?

Sehr!

Gibt es eine Schlagzahl an Hörspielen, die ihr im Jahr veröffentlichen müsst, dass es sich für euch rechnet. Oder könnt ihr auch weniger machen, dafür aber mehr Geschichten ausfiltern?

Na, das haben wir ja jetzt gemacht. Wir sind ja zwischenzeitlich bei zwölf Gruselkabinett-Folgen pro Jahr gewesen, das haben wir jetzt schon mal um 50 Prozent reduziert, sodass es jetzt aktuell „nur noch“ drei im Frühjahr und drei im Herbst sind. Aber das sollte es schon sein, da kommen wir ja auch auf 16 Produktionen im Jahr, mit Sherlock und den Grimms Märchen zusammen. Dann gibt es ja noch immer etwas an Nebenprojekten zu tun, einem Titania Special zum Beispiel. Das ist schon das, was wir gut schaffen, und was es auch sein sollte, um den Laden am Laufen zu halten. Erfreulicherweise werden aber ja auch die älteren Folgen noch sehr regelmäßig gehört, sonst würde sich das sowieso nicht mehr rechnen. Aber da zahlt sich jetzt erfreulicherweise aus, dass wir 20 Jahre sehr fleißig gewesen sind.

Sind die 16 Folgen im Jahr denn kostendeckend?

Die sind kostendeckend dadurch, dass es noch über 300 Backlist-Titel gibt, die diese Neuproduktionen mitfinanzieren. Da die Kosten mittlerweile größtenteils über den Stream gedeckt werden, würden wir das nur mit einer Neuproduktion alleine dort nicht schaffen, die in einem angemessenen Zeitraum zu refinanzieren. Das geht wirklich nur durch die vielen anderen Folgen, die noch gehört und geliebt werden.

Wenn ihr nochmal neu anfangen würdet, würdet ihr das nochmal angehen oder eher sagen, dass es sich nicht lohnt, weil es kein einträgliches Geschäft mehr ist?

Stephan: *lacht* Schwierig.

Ach, wir haben es ja schon zu etwas damit gebracht. Dass das Thema Hörspiel unser Leben bestimmt, das ist ja ein ganz großer Zufall gewesen. Es kam so aus dem Nichts auf uns zu. Ich glaube aber, dass da jemand auf einer anderen Ebene eine Strippe gezogen hat und wir einfach dafür genau die richtigen sind, um einer gewissen Hörerschaft mit unseren Werken Freude zu bereiten, mit dem, wie wir finden, wie ein Hörspiel sich anhören müsste.

Stephan: Als wir angefangen haben, waren wir unglaublich enthusiastisch und haben gar nicht so sehr ans Geld gedacht. Aber mit der jetzigen Erfahrung und wie sich der Markt aktuell gestaltet, würde ich es – glaube ich – nicht nochmal machen. Weil ein Hörspiel mit den streaming-Einnahmen einfach nicht innerhalb eines Jahres zu refinanzieren ist. Du musst schon ein sehr großes finanzielles Polster haben, um da durchzuhalten. Ich mag den Stream, aber die Vergütung ist der absolute Horror. Das Nötigste kannst du da nur über die Masse generieren.

Marie Bierstedt hat euch ja ganz lange begleitet. Jetzt hat sie auch mal eine Bösewichtin im Film „Hexen hexen“ gesprochen. Könnt ihr euch vorstellen, sie auch einmal in einer bösen Rolle zu besetzen?

Ja! Weil sie so eine unglaublich gute Schauspielerin ist. Sie ist großartig! Sie kann alles. Gute Idee!

Ich habe sie dort zunächst gar nicht erkannt und dachte nur, dass ich die Stimme irgendwoher kenne.

Marie Bierstedt ist auch eine unglaublich bescheidene Person, gepaart damit, dass sie wirklich so viel kann. Ihr Vater Detlef hat uns auch erzählt, wie sehr er selbst von den Socken war, wie gut sie das auch mit dem russischen Akzent gemacht hat. Aber auch bei ihm selbst, da darf man das Wort „Genie“ ruhig benutzen. Es ist eine unglaubliche Gabe, die die beiden haben. So ein sicheres Gespür, was richtig und was falsch ist, das ist sehr selten bei der Arbeit zu erleben. Ich bin mit niemandem im Studio so schnell fertig, wie mit Detlef Bierstedt. So schnell wie er ist, komme ich gedanklich manchmal kaum hinterher, um das alles nochmal gegenzuchecken, was er da macht. *lacht*

Für Anne habt ihr ja damals eine Lizenz erworben. Würdet ihr das noch einmal machen oder lohnt sich das nicht für euch?

Das macht die Sache mit der Re-Finanzierung tatsächlich noch einmal schwieriger, weil man ja noch etwas abgeben muss, was normalerweise in den Topf zur Refinanzierung des Ganzen kommt. Der bürokratische Aufwand ist auch deutlich höher, da muss dann natürlich jährlich eine Abrechnung erfolgen. Bei „Anne“ war das auch nur ganz am Anfang, danach lief das Urheberrecht von L. M. Montgomery aus. Wir sind ganz froh, dass wir diese Arbeit nicht mehr an den Hacken haben. Es gibt so viele großartige rechtefreie Stoffe, die uns sehr reizen, sie umzusetzen, da machen wir eigentlich lieber das.

Wollt ihr noch etwas loswerden?

Wir danken sehr herzlich für die zahlreiche Unterstützung, die uns in den letzten Jahren zuteilgeworden ist. Wir danken dafür, dass unsere Hörspiele immer noch sehr fleißig gehört werden, für die gute Kritik und auch für die gutgemeinten Ratschläge. Und wir hoffen, dass wir euch noch viele, viele Jahre unterhalten dürfen.

Auch über Folge 200 hinaus?

Definitiv! Als erstes kleines und unabhängiges Label im Übrigen hoffentlich! Daumendrücken erwünscht!

 

(c) Interview poldis-hoerspielseite.de November 2023

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