„Opernhaft und fast ein bisschen plüschig“ - so bezeichnen Marc Gruppe und Stephan Bosenius in einem ausführlichen Interview ihre Hörspiele. Ihrer Einladung in ihr Hildener Studio bin ich äußerst gern gefolgt, sodass wir in gemütlicher Atmosphäre über Dagmar von Kurmin, den „Schimmelreiter“, Hörspielkritiken und die wohl schlimmste Szene, die in ihren Hörspielen jemals vorgekommen ist, gesprochen haben.

Die Antworten die von Stephan Bosenius stammen sind kursiv gekennzeichnet.

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Schön, dass es geklappt hat und wir uns zu diesem Interview treffen. Die altbewährte Frage, ihr habt es wahrscheinlich schon hundertmal erzählt: Wie seid ihr denn zum Hörspielmachen gekommen?

Stephan und ich sind beide Hörspielhörer von Kindheit an und wie so viele andere auch große Fans. Ich bin vor allem mit Europa-Produktionen aufgewachsen. Stephan ist zwei Jahre jünger und schon in die Benjamin Blümchen- und Bibi Blocksberg-Geschichten involviert gewesen. Ich habe ja Theaterwissenschaft in Bayreuth studiert und wollte ursprünglich erst Opernregisseur werden. Ich bin dahingehend, was den wissenschaftlichen Hintergrund angeht, auch ausgebildet worden, Literaturwissenschaft und Musikwissenschaft waren meine Nebenfächer. In der Literaturwissenschaft habe ich ganz viel zum Thema Phantastik und schwarze Romantik gemacht, weil mich diese schauerromantischen Dinge auch als Leser schon immer interessiert haben. Wie bei vielen anderen auch, war das Hörspielthema ein paar Jahre mal weg, wo dann auch in einem Anfall von Wahnsinn einiges auf dem Trödelmarkt gelandet ist, was ich dann später für unglaubliches Geld bei Ebay wieder kaufen musste. Während des Studiums kam das dann bei mir und einigen Mitstudenten wieder, und wir haben nach Bayreuth mitgebracht, was wir an Hörspielen noch hatten, uns ausgetauscht und gemeinsam gehört.

Das war dann ja auch um die Jahrtausendwende die Zeit, wo es mit dem Internet immer weiter vorwärts ging, und so habe ich angefangen zu recherchieren, was die geliebten Stimmen von damals wohl machen, und ob man den einen oder anderen nicht auch mal live sehen kann. Dagmar von Kurmin ist eine ganz große Ikone von mir gewesen, die Stimme hat mich wirklich die ganze Kindheit hindurch begleitet, vor allem ihre Märchensachen, die sie mir Konrad Halver zusammen gemacht hat. Ich habe sie gegoogelt, und es stellte sich heraus, dass sie noch sehr aktiv Theater spielte, erfreulicherweise in der erweiterten Umgebung. Wir haben damals in Leverkusen gelebt und sie hat in Bad Godesberg Theater gespielt. Wir haben zwei Karten gekauft und sind dahin gefahren, ich hatte meine Lieblingsschallplatte von ihr dabei, um das gute Stück signieren zu lassen. Nach der Vorstellung haben wir ihr dann aufgelauert und die Schallplatte mit zitternden Händen unter die Nase gehalten. Sie musste sich erst einmal hinsetzen, weil sie so unglaublich erstaunt war, dass nach so vielen Jahren zwei junge Männer kommen, die sie an ihre Hörspielzeit erinnern – die ja schon lange, lange zurücklag. Das sind ja Sachen aus den 70ern und ganz frühen 80ern gewesen. Wir haben dann Telefonnummern ausgetauscht, weil sich im Gespräch relativ schnell herausgestellt hat, dass wir Sachen besaßen, die Dagmar von Kurmin einmal aufgenommen hat und nicht mehr als Beleg hatte. Sie hat dann auch umgekehrt gesagt, dass sie vielleicht noch Sachen hat, die wir schon immer mal hören wollten. Am nächsten Tag hat sich dann herausgestellt, dass der Lebensgefährte meiner besten Freundin Sabine in den 50er Jahren mal zusammen mit Dagmar von Kurmin engagiert war, er als Bühnenbildner und sie als Darstellerin. Ich erzählte im Rahmen eines Telefonats von dieser Begegnung, und er war unglaublich interessiert daran, was denn diese tolle Kollegin von damals macht. Ich habe dann die beiden quasi wieder zusammengebracht. Es war ein Riesen-Hallo, als die beiden dann zusammen telefoniert haben. Wir haben uns dann auch relativ bald wieder getroffen, Dagmar von Kurmin mit ihrem Mann und wir. Da hat sich eine sehr nette Freundschaft draus entwickelt.

Und so haben wir gedacht, dass wir mal etwas machen müssen mit dieser herrlich gealterten Stimme. Ich war gerade fertig mit meinem Studium und habe mit meiner Doktorarbeit angefangen und hatte für einen Theaterverlag, für den ich schon relativ viel an Kindertheaterstücken geschrieben hatte, mein erstes Theaterstück für Erwachsene geschrieben: „Das indische Tuch“ von Edgar Wallace. Das lag dann schon als Dialogfassung vor, es war also relativ wenig Arbeit, daraus ein Hörspiel zu machen. Wir haben das dann sehr akribisch geplant und ein ganzes Jahr lang verschiedene Seminare besucht – über Existenzgründung, Selbstmanagement in der Musikbranche, wie funktioniert das mit der Gema, mit der Künstlersozialkasse, mit dem Finanzamt, ein Urheberrechtsseminar. Ja, und dann haben wir unsere Firma ganz normal mit allem Geld, das wir so zusammenkratzen konnten, gegründet und es ging mit der ersten Produktion los. Über Dagmar von Kurmin kam dann gleich Christian Rode mit ins Boot, die beiden kannten sich aus der großen Hörspielzeit. Es waren auch noch zwei Kollegen von Dagmar von Kurmin aus dem Theater dabei, wir haben noch Schauspieler angesprochen, die uns bei Produktionen vom WDR positiv aufgefallen sind. So formierte sich dann das Ensemble von „Das indische Tuch“. Bei einem dieser vielen Seminare haben wir unseren Tontechniker Carsten 'Kazuya' Bunse kennengelernt, der Zugriff auf ein Studio in Wuppertal hatte. Wir haben dann mit Freunden ein Probehörspiel eingesprochen, später dann mit den Profis an einem Wochenende „Das indische Tuch“ aufgenommen. Das schlug dann ein wie eine Bombe, da haben wir unglaublich viele Hörspielawards mit gewonnen.

Irgendwann war dann genügend Geld zurückgeflossen, das wir davon die nächsten Sachen in Produktion geben konnten, das waren dann schon die ersten Gruselkabinette, Sherlock Holmes und „Fröhliche Weihnachten, Mr. Scrooge“. Das war dann auch das erste mal, dass wir das meiste in Berlin aufgenommen haben. Stephan war noch dabei, sein Diplom zu machen, ich saß eigentlich an der Doktorarbeit, die bis heute nicht fertig ist. (lacht) Es war auch dann nicht mehr die Rede davon, irgendwann mal Opernregie zu betreiben, weil ich sehr glücklich damit war, Hörspiele zu schreiben und zu produzieren, und wir in der glücklichen Situation sind, uns aussuchen zu können, was wir machen und mit wem wir es machen. Das ist schon ein großer Luxus. Mir hat es nie so gedämmert, dass es das perfekte Berufsbild für mich sein könnte. Aber das Leben ist ja manchmal auch so, dass es einen gelegentlich in die richtige Richtung schubst, wo man dann richtig aufgehoben ist.

Viele Hörspielmacher sagen ja, dass sie selbst keine Hörspiele mehr hören. Wie ist das bei euch?

Ich höre jetzt nicht unbedingt alles, was so aktuell produziert wird. Was ich mir immer wieder anhören kann, was nach wie vor unglaublich gut ist, sind diese klassischen Europa-Sachen, die Konrad Halver gemacht hat, die Dagmar von Kurmin gemacht hat, und die Sachen, die Heikedine Körting dann gemacht hat. Was Europa aktuell produziert, höre ich auch nicht mehr, aber ich höre immer wieder gerne mit großer Freude die Larry Brents oder die Macabros'. Oder eben Die drei ??? bis zum Superwal, vielleicht noch die Perlenvögel, da hört es für mich auf, dass ich die ganz große Begeisterung aufbringen kann. Die Sachen, die Herr Herwald gemacht hat, finde ich grandios, die Edgar Wallace-Vertonungen für Maritim. Ganz aktuelle Sachen jetzt eher nicht, wobei wir die Perry Rhodan-Sachen, die Stil gemacht hat sehr gerne gehört haben. Auch die Poe-Serie war absolut meins, das liebe ich sehr. Das nutzt sich auch nicht ab, weil alles auf den Punkt richtig getroffen ist. Die Töne stimmen in jeder Art und Weise, sowohl die Schauspieler als auch die tolle Musik, die sie dazu gemacht haben. Das ist prima, und so soll es ja sein.

Wer macht den was bei euch? Wer ist für welchen Schritt zuständig?

Nachdem wir alles vertont haben, was ich an schwarzer Romantik kannte, und ich bei dem relativ hohen Produktionsausstoß nicht mehr so viel Zeit habe, Literatur zu sichten, macht das seit vielen Jahren schon Stephan. Er hat mittlerweile viele, viele Perlen gefunden, die sonst keiner mehr kennt, wo wir tolle Hörspiele draus machen konnten. Er schlägt mir dann Dinge vor, und ich schaue ob ich auch finde, dass sich das gut eignen würde. Ich schreibe die Dialogbücher, die dann sehr liebevoll Korrektur gelesen werden. Wir überlegen dann gemeinsam, wer das sprechen könnte. Dann beginnt Stephans ganz große Arbeit, da eine gute Besetzung zusammenzubringen und die Termine auszumachen. Es muss logistisch geplant werden, wo das aufgenommen werden soll. Stephan hat ja Pädagogik studiert, Organisationsentwicklung war sein Hauptthema. Insofern fällt das alles in seinen Bereich. Er gibt die Illustrationen in Auftrag, gibt das Ganze dann zur Grafik, dass es mit Text versehen zu einem Booklet wird, die ganze Abwicklung mit dem Presswerk, Termine im Mastering-Studio – da hängt ja ein riesiger Rattenschwanz dran.

Wenn die Aufnahmen gelaufen sind, die unter meine Regie entstanden sind, ist es üblicherweise so, dass ich die Aufnahmen sichte, die Produktionen schneide, die Musik drunterlege und für den Tontechniker schon ganz viel reinschreibe, wie die Atmosphäre von den Geräuschen sein soll, wie ich mir die Räume vorstelle, aber auch alle Spezialsachen, also wann es donnert oder welche Schritte verwendet werden sollen. Carsten ist von Anfang an dabei, wir werden dieses Jahr die 200. Produktion zusammen machen, und er betreut die ganze Abmischung für uns. Das ist ja auch bei uns ein Großteil der Arbeit, es sollen ja atmosphärische Hörspiele werden. Das betrifft vielerlei Dinge, zum Beispiel die Sprache, die verwendet wird. Wie diese präsentiert wird. Die Art, wie es vom Rhythmus zusammengeschnitten wird. Wie das auf Musik liegt. Welche Musik das ist, aber auch, wie die Räume klingen, das es ja doch recht opernhaft und fast ein bisschen plüschig wird. Diesen Charme der Zeit, in der diese Geschichten spielen, da muss man ja doch schauen, dass alles gut zusammenpasst. Kutschen und Tee der aus edlem Porzellan geschlürft wird. Das sind Sachen, die sehr wichtig sind. Wenn Carsten mit der Vorbereitung so weit ist, fahre ich in sein Studio nach Wuppertal. Wir sitzen dann noch ein paar Tage zusammen und mischen es gemeinsam ab. Das endet immer mit einem Kopfhörerdurchgang, also ein kompletter Tag, an dem wir beide dort sitzen und ganz feinschnittig geschaut wird, ob alles so sitzt, wie man es sich vorgestellt hat, ob es eine runde Sache ist und nichts zu laut oder zu leise ist. Wenn alles passt, geben wir es zu Michael Schwabe ins Mastering-Studio, da wird es auf Herz und Nieren geprüft und der Klang noch einmal veredelt. Wenn das Master vorliegt, wird es in Tracks geschnitten und geht digital ins Presswerk, und eine Woche später kriegen wir dann eine große Lieferung.

Seid ihr denn immer einer Meinung, was die Produktion angeht? Habt ihr manchmal unterschiedliche Meinungen, zum Beispiel was einen Sprecher angeht?

Eigentlich sind wir immer sehr synchron.

Das ist tatsächlich auch ein Vorteil mit Carsten, man schwimmt da ästhetisch so auf einer Wellenlänge und weiß relativ genau, wo man gemeinsam hin will. Es sind schon so viele Jahre, dass man sich mittlerweile blind versteht und alles sehr gut Hand in Hand geht.

Wie lange dauert es, bis Stephan die Geschichte gefunden hat bis ihr das fertige Hörspiel vorliegen habt?

Das werden wir oft gefragt. Es ist aber ein bisschen gemein, weil wir das gar nicht so genau für ein Produkt aufdröseln können.Es sind ja immer sechs Stück gleichzeitig in der Produktion. Wir vertonen jetzt Sachen, die ich vor vielleicht drei Jahren gefunden habe. Wir haben mit dem Vertrieb einen unglaublichen Vorlauf. Wir geben jetzt schon die Sachen für Frühjahr 2018 für den Katalog ab, sind gedanklich aber schon wieder im Herbst 2018.

Es ist genau, wie Stephan sagt. Es gehen ja immer gleichzeitig verschiedene Sachen in die Produktion, deswegen kann man es nicht so genau sagen. Und beim Schreiben ist es auch so, manche Sachen gehen unglaublich schnell und es gibt Dinge, die beim Schreiben sehr anstrengend sind, weil es Vorlagen sind, die nicht so szenisch geschrieben sind. Da ist zum Beispiel der sehr beliebte Lovecraft zu nennen, wo es ganz selten überhaupt nur einen Dialogsatz gibt. Er ist ein Autor, der die wörtliche Rede total vermeidet. Und wenn er über ein Gespräch berichtet, dann nur als Gesprächsprotokoll. Das ist dann für mich als Dialogbuchautor relativ viel Arbeit, aus den Informationen einen gut spielbaren Dialog zu formen. Lovecraft ist daher ein bisschen mühsam, nur „Kalte Luft“ nicht, was jetzt rauskommt. Das ist sehr szenisch geschrieben und hat erfreulich wenig Arbeit gemacht.

Andere Dinge sind sehr dialogbasiert, die klassischen Sherlock Holmes-Sachen von Conan Doyle sind schon sehr szenisch geschrieben, da sitzt man ja schon mit Holmes und Watson dabei, wenn der Klient kommt. Da gibt es also schon sehr viel, was man aufgreifen kann. Man muss natürlich noch darauf achten, dass es schnauzengerecht ist. Die geschriebene Sprache ist ja noch mal etwas anderes als die Sprache, die man gut spielen kann. Da muss ich dann immer noch ein bisschen ran, aber das geht einfach deutlich schneller.

Das meiste, was ihr vertont, spielt in England. Die Welt ist ja weit und groß, da gibt es ja auch andere Länder, wo man bestimmt tolle Geschichten finden kann. Warum seid ihr denn so festgelegt auf diese Zeit? Ich mag zum Beispiel der „Der Ring des Thot“, das spielt ja in Ägypten, „Der Drachenspiegel“ hatte sehr chinesische Anleihen, „Die Gespensterrikscha“ spielte ja in Indien. Warum denn nicht öfter mal etwas anderes?

Ach, das ist ein bisschen gemein, das so zu sagen. „Besessen“ spielt in Afrika, die „Lodoiska“ ist in Deutschland angesiedelt, „Die Bilder der Ahnen“... Also, ich finde es schon gut gemischt.

Bei dem „Ring des Thot“ ist es ja so, dass das Museum, in dem sie sich treffen, in England steht. Während der Erzählung wandert es dann nach Ägypten...

Die literarische Gattung ist einfach eher in England angesiedelt, die Autoren sind ja auch meistens Engländer.

Das muss man einfach so sagen. Die Gothic Novel ging sicherlich mal von der deutschen Literatur aus, aber in England wurde es zu einem Höhepunkt getrieben und kulminierte dann in solchen Sachen wie „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“, „Dracula“ und solche tollen Dinge. Aber tatsächlich ist das dann in Deutschland nicht so weiter verfolgt worden. Da ging es dann erst wieder in der deutschen Phantastik im 20. Jahrhundert los, als sich die Autoren wieder auf diese Themen besonnen haben. Aber natürlich spielt es auch ein bisschen eine Rolle, dass wir beide sehr England-affin sind, uns sehr gerne in London aufhalten. Das ist ein bisschen ein Klischee, aber die Sachen, die wir erzählen, passen so gut in dieses Land mit dem schlechten Wetter, wo es nie so richtig hell wird und wo es diese zugluftgeschwängerten Schlösser gibt.

Könntest du dir denn vorstellen, auch andere Epochen zu erzählen, vielleicht auch aktuellere Geschichten - ihr habt das ja mit dem „Mitternachtsweg“ gemacht – oder auch Dinge aus dem Mittelalter zu erzählen? Du hast ja mal gesagt, dass zum Beispiel Hexengeschichten sehr schwierig zu finden sind, was ich persönlich sehr schade finde.

Ja, aber man muss ja auch etwas finden, wo jemand zu dem Thema etwas geschrieben hat.

Oder selber schreiben, wie bei dem „Hexenfluch“...

(lacht) Das scheitert nicht so sehr an dem Willen, sondern ganz oft an der zeitlichen Komponente. Das ist ja auch das Aus gewesen für die selbstgeschriebenen Fälle von Sherlock Holmes. Das ist schwierig, wenn man zwölf Gruselkabinett-Folgen im Jahr hat, dazu noch ein Märchen zur Weihnachtszeit herausbringen möchte, noch vier bis sechs Holmes-Folgen machen möchte, wird es da einfach schwierig. Aber das ist gar nicht so, dass wir nur England wollen, sondern das passiert tatsächlich einfach. Aber wir sind Dingen nicht abgeneigt, die in anderen Ländern spielen.

Tut es ja auch nicht. Also zum Beispiel „Die Spinne“: Paris. „Das Phantom der Oper“, „Der Glöckner von Notre Dame“, „Die liebende Tote“. „Der Tempel“ in einem U-Boot. Die Lovecraft-Sachen. Oder New York: „Madame Mandilips Puppen“. „Das Amulett der Mumie“ ist zwar auch England, spielt aber auch in Ägypten... das muss ich zu unserer Verteidigung noch einmal kurz sagen. Also, ich finde es schon abwechslungsreich.

Es klappt nicht immer, aber wir versuchen es schon. Es kommen jetzt auch vermehrt deutsche Autoren mit ins Boot, da haben wir noch einiges gefunden, was jetzt so nach und nach kommen wird. Das bereichert auch die ganze Sache. Der Kern sind aber natürlich die englischsprachigen und in England spielenden Geschichten.

Wie hat sich denn eure Arbeitsweise in den letzten Jahren verändert? Und würdet ihr an alten Produktionen noch einmal etwas anders machen, als ihr es damals gemacht habt?

Sagen wir mal so: Man hat in gewissen Dingen mittlerweile eine gewisse Routine, weil man es nicht mehr zum ersten mal macht. Das ist durchaus oft ein Vorteil, denn dadurch geht es ein bisschen schneller. Wir haben jetzt ja ein paar alte Produktionen noch einmal in die Hand genommen, weil Musik ausgetauscht wurde. Da ist die Versuchung natürlich immer da, noch ein bisschen nachzuarbeiten. Das aber wie bei der Renovierung eines alten Hauses, das ist immer sehr aufwändig. Diese alten Projekte noch einmal zu öffnen und da ins Detail zu gehen, weil das von der Software, die wir benutzen, viele Versionen zurückliegt. Man hat damals mit ganz anderen Plug Ins gearbeitet, vieles funktioniert in dem neuem Programm nicht mehr. Wir haben da tatsächlich hier und da noch einmal etwas verändert, aber was den Großteil betrifft konnte ich mit den ersten drei Folgen vom Gruselkabinett, den Sherlock Holmes-Folgen, die wir 2004 und 2005 gemacht haben, und „Fröhliche Weihnachten, Mr. Scrooge“ sehr sehr gut dazu stehen, was wir damals gemacht haben. Ich fand diese Begegnung sehr schön, mit diesen alten Produktionen.

Ihr habt immer wieder Geschichten auf Lager, die ziemlich unbekannt sind. Ich erinnere mich da an Aylmer Vance, das gibt es auf deutsch ja gar nicht. Wie findet ihr so etwas? Das muss doch ziemlich zeitintensiv sein.

(lacht) Wir haben immer gesagt, wenn das mit den Hörspielen nicht mehr klappt, können wir auch ein Detektivbüro aufmachen. Du fängst irgendwo an, und das verselbstständigt sich mit der Zeit. Dann findest du in einem Buch noch Angaben zu etwas anderem, es gibt aber auch viele nette Fans, die uns eine E-Mail mit Vertonungsvorschlägen schreiben. Das recherchiere ich dann auch immer und beantworte auch, ob es möglich ist.

Wir bringen aus England auch immer wieder Dinge mit, die wir in gut sortierten Buchhandlungen finden. Aylmer Vance war zum Beispiel so ein Glückstreffer, das war von der Themenstellung und der Länge der Geschichten ideal. Das ist ein Projekt, das mir in allerbester Erinnerung geblieben ist.

Bei den Hargraves habt ihr dann ja noch eigene Geschichten verfasst. Das würde sich bei Aylmer Vance doch auch anbieten. Warum macht ihr das nicht?

Bis jetzt bestand die Notwendigkeit noch nicht, weil wir noch so viel anderes in der Schublade haben. Da haben wir bisher noch gar nicht dran gedacht. Aber du hast völlig recht, dass die Möglichkeit dort auf jeden Fall bestünde. Wir mochten den Charakter auch wahnsinnig gerne, weil er so unglaublich melancholisch und so eine gebrochene Figur ist. Das hat der Hans-Georg Panczak auch so toll vor dem Mikro darzustellen gewusst.

Ich habe gestern noch einmal geschaut, was da alles vorgeschlagen wird. Ganz weit vorne ist „Rebecca“ dabei. Könntet ihr euch vorstellen, das umzusetzen?

Das könnten wir uns liebend gerne vorstellen...

Aber es liegt ja oft nicht so sehr an der Vorstellungskraft. Das ist ein Lizenzstoff, den muss man einkaufen. Und da er verfilmt wurde, ist es schwierig, daran zu kommen.

Es gibt von Rebecca eine viel gespielte Theaterfassung, die im gleichen Verlag, wie meine Theaterstücke war. Im Zuge dieses Musicals Rebecca, gab es für diese Produktion keine Aufführungsrechte mehr. Wir haben Rebecca nie angefragt, aber ich gehe sehr schwer davon aus, dass man gar kein Vertonungsrecht bekommt.

Man muss ehrlich sagen, dass die Agenturen da auch kein großes Interesse haben. Das ist für die viel zu aufwändig, die werden bei einem so alten Stoff erst einmal in den Keller ins Archiv müssen, da winken die schon ab. (schmunzelt) Es macht keinen Spaß, Lizenzen einzukaufen, jedenfalls nicht bei den Stoffen, die wir vertonen wollen. Bei moderneren Stoffen kommt man eher dran.

Ganz weit vorne sind auch Geschichten wie „Wurmstichig“ von Fred Ink, von Charles Dickens „Der Heimgesuchte“, von Hoffmann „Elixier des Teufels“ und „Schloss Otranto“ von Horace Walpole.

„Schloss Otranto“ kommt bestimmt, das möchte ich unbedingt noch machen! Damit ging diese Gothic Novel eigentlich in England so richtig los. Wir sind auch schon in dem Schloss des Autoren gewesen, was auch ein bisschen Schauplatz der Geschichte ist, und haben dort die Atmosphäre aufgesogen. Das ist allerdings eine sehr sperrige Geschichte, die viel Arbeit erfordern wird, da eine schöne Hörspielfassung draus zu machen. Für „Die Elixiere des Teufels“ kann ich auch große Hoffnungen machen, das haben wir jetzt noch ein bisschen hinten angestellt, weil es von der Thematik recht ähnlich zu „Der Mönch“ ist. Das ist zwar auch schon wieder einige Folgen her, aber das wollten wir nochmal ein bisschen schieben. Es ist ja auch ein ziemlich dicker Schinken, das werde ich wahrscheinlich auch auf einer CD nicht erzählen können, da wollten wir nicht so schnell hintereinander zwei Mönchs-Schuber in die Reihe integrieren.

Für die 100. Folge habt ihr Dagmar von Kurmin wieder eingesetzt, die ja auch in der allerersten Gruselkabinett Folge mitgesprochen hat. Habt ihr schon Aufnahmen für Folge 200, dass sie da auch vorkommt?

(lacht) Also, Folge 200 ist noch sehr weit weg, so weit im Voraus ist es bei uns dann leider doch nicht mit der Planung. Die 150 winkt so ein bisschen aus der Ferne

War es denn bei „Träume im Hexenhaus“ extra so gewählt, dass es diese Geschichte Folge 100 wird, oder hätte es auch „Der Schimmelreiter“ werden können?

Es ist schon klar gewesen, dass es ein Lovecraft sein sollte. Und „Träume im Hexenhaus“ ist ein sehr untypischer Lovecraft, der sehr in diese schauerromantische Richtung geht, mit dieser Hexengeschichte und dem unheimlichen Haus. Da arbeitet er mehr mit Versatzstücken aus der englischen Schauerromantik als er es sonst tut. Das fanden wir einen schönen Eintrag für Folge 100.

Ihr seid ja nicht gerade diejenigen, die Jubiläen groß mit Luftballons und Konfettikanonen feiern wie viele andere. Warum nicht?

Ich bin mit den Erfahrungen von Folge 50 und 100 ein bisschen vorsichtig. Ich glaube, da wird von manchen Hörern immer zu viel erwartet, dass da ein Riesen-Feuerwerk für abgeschossen wird. Das ist manchmal ein bisschen schade für die Produktionen, dass dann Erwartungen, die einfach nicht richtig waren, leider enttäuscht werden. Das ist leider immer so ein Moll-Ton bei der ganzen Sache. Deswegen bin ich auch kein so großer Freund von großartig gefeierten Jubiläen.

Folge 50 war ja dann auch eine Folge, die nicht bei allen Hörern so gut ankam.

„Das Gespenst von Canterville“. Was ein bisschen unangenehm ankam, unter anderem weil wir da das erste mal gemerkt haben, dass einige Gruselkabinett-Hörer für den Humor, der da bei Oscar Wilde auch mitschwingt, überhaupt keine Antenne haben. Das war ein bisschen schade, weil ich die Geschichte sehr mag und auch fand, dass das eine sehr schöne Version war. Aber da haben wir nicht den Nerv von jedem getroffen.

Aber das war ja auch eine Geschichte, die häufig genannt wurde, dass ihr die mal bringen sollt. Kennen die Leute denn die Vorlage nicht kennen? Bei „Sleepy Hollow“ ist das doch auch so in die Hose gegangen. Da kannten wahrscheinlich alle den Film und sind mit dieser Erwartung an das Hörspiel gegangen.

Genau, und sie mochten da auch den Humor nicht, den es aber in der Erzählung absolut gab. Da muss man eine Lehre draus ziehen, dass man da drumrum produziert, was ich persönlich ein bisschen schade finde. Es manchmal mit einem Augenzwinkern zu sehen, das Ganze mit Geistern, Hexen und Vampiren nicht zu bierernst zu nehmen, finde ich immer ganz belebend. Aber es birgt durchaus ein gewisses Risiko.

Das ganze Frühjahrsprogramm besteht ja aus Geschichten von H.G. Wells. Man muss ja auf dem Plan haben, dass die Geschichten 2017 frei werden. Wann war denn klar, dass ihr es sofort umsetzt? Es gibt böse Zungen, die behaupten, dass ihr unbedingt erster sein wolltet. Stimmt das?

Nein, und es hat ja auch nicht geklappt. (lacht) In der Frühphase des Gruselkabinetts hätten wir sehr gerne schon etwas von Wells gemacht und haben auch Lizenzen angefragt. Da wurden wir recht rüde beim lizenzgebenden Verlag in Wien abgewiesen. Seitdem stand es für den 01.01.2017 im Kalender. Wir haben dann die vielen Jahre dazwischen damit verbracht, in Wells' nicht gerade kleinen Werke-Kanon weiterzulesen. Da kam dann schnell die Idee, das ganze Frühjahr mit Wells zu bestücken.

Aber was sind denn die Gründe dafür gewesen? Bei denen wird es ja auch im Kalender stehen...

Es ist schon ziemlich lange her, dass wir da angefragt haben. Da war es für die wohl noch recht weit weg. „Die Insel des Dr. Moreau“ wäre bestimmt unter den ersten 20 Folgen gewesen. Wir bissen da aber total auf Granit. Ich kann nicht sagen, ob es das Problem war, dass die Bearbeitungsrechte nicht vorhanden waren oder dass sie dafür eben nicht in den Keller gehen wollten, um die uralten Verträge rauszusuchen. Wells wird aber auch weiter ein fester Autor im Gruselkabinett bleiben, weil die Geschichten einfach unglaublich abwechslungsreich und gut geschrieben sind. Und sie machen erfreulich wenig Arbeit bei der Dialogbearbeitung, weil sie schon sehr szenisch gestaltet wurden. Da kann ich mich wunderbar auf das vorgegebene Gleis setzen. Besser kann man es als Dialogbuchautor nicht haben.

Der Krieg der Welten“ hat sich mittlerweile zum dritten mal verschoben. Der beste Kommentar, den ich gelesen habe, war, dass ihr die andere Version gehört habt und jetzt alles nochmal neu macht, weil ihr es doch nicht so wie bisher veröffentlichen wollt. Was sind denn die Gründe für die Verschiebung?

   

Es sind die gleichen Gründe, die letztes Jahr schon für Turbulenzen geführt haben. Wir sind ein Zwei-Mann-Unternehmen, wir machen ganz, ganz viele Arbeitsschritte selber. Da hat es letztes Jahr einfach sehr im Gebälk geknirscht. Dinge, die einfach nicht vorhersehbar waren, ein sehr schlimmer Krankheitsfall in der Familie, wo wir sehr helfen mussten und was sich über Monate hingezogen hat. Das sorgt nach wie vor für Turbulenzen und ist auch immer noch nicht vorbei. Das sind Dinge, wo man sich nicht rausziehen kann. Das kennt ja auch jeder. Wenn jemand in der Familie Hilfe braucht, und man Pflege oder Krankenhausbesuche organisieren muss, wird es schwierig, seine Arbeit noch zu schaffen. Das hat uns sehr aus der Kurve getragen. Die Verschiebungen von diesem Jahr sind da einfach noch ein Kollateralschaden von dieser Sache. Es hat gar nichts mit der anderen Version zu tun, ich gehe davon aus, dass unsere Version völlig anders sein wird als das, was es jetzt schon gibt. Wie man das von uns kennt, geht es zurück auf die Quelle, das Buch. Und das hat herzlich wenig mit dem Hörspiel zu tun, das Orson Welles gemacht hat. Insofern vertonen wir jetzt den Roman von Wells so, wie er da ist, und da geht es eben um einen Mann in den besten Jahren, der den Untergang seiner Welt mit unterschiedlichen Menschen an seiner Seite erlebt. Nicht mehr und nicht weniger. Ich hoffe, es ist ein atmosphärisches Hörspiel geworden, das den Leuten gefallen wird. Es ist auch ganz anders als der Film mit Tom Cruise. (lacht) Nur damit auch niemand denkt, dass es wie in der letzten Verfilmung ist.

In der letzten Zeit häufen sich ja die negativen Kritiken, gerade bei Amazon Unter einer meiner Rezensionen gibt es mittlerweile über 30 andere Kommentare von anderen Usern. Er hätte das Hörspiel auch gehört und müsste es nach unten korrigieren, er fände es einfach nicht gut. Ich habe ihn dann gefragt, warum er es denn immer noch hört. Es bringt ja auch nichts, 20 oder 30 Folgen schlecht zu finden und immer wieder eine negative Kritik rauszuhauen.

Ich glaube, es ist kein repräsentatives Meinungsbild bei Amazon. Man muss auch dazu sagen, dass sich in den Jahren viel geändert hat. Was früher in Hörspielforen stattgefunden hat, findet dort nicht mehr in dem Maße statt. Das hat sich unter anderem dorthin verlagert, wo verkauft wird, es wird jetzt sehr viel kommentiert. Und dort ist mittlerweile eine Grundstimmung vorhanden, die nicht unbedingt dazu einläd, dass sich die Leute zu diesen Hörspielen freiwillig positiv äußern. Weil sie von denen, die alles schlecht finden, sehr hart angegangen werden, wirklich niedergemacht werden, unterstellt wird, dass wir das unter Pseudonymen sind. Das sind Sachen, die hässlich sind und Leute vertreiben, die auch was Positives zu sagen hätten.

Das bekommen wir dann eher per E-Mail. (lacht)

Wir sind dann mittlerweile bei dem von mir sehr geschätzten, wunderbaren Zitat von Frau Körting: „Tausende sind begeistert, und es sind immer die zehn gleichen, die meckern.“ Sie hat sich hinterher sehr wortreich dafür entschuldigen müssen, aber es ist ja wahr. Ich habe genau die gleiche Frage wie du. Ich als Hörspielhörer habe immer die Reißleine gezogen, wenn mir etwas über etliche Folgen hinweg nicht mehr gefallen hat. Das muss gar nicht zwingend immer daran liegen, dass das Hörspiel schlecht ist, der eigene Geschmack verändert sich ja auch. Oder es liegt an hundert anderen Dingen.

Ein Kommentar war dann auch, wie ich es denn wagen könne, ihm vorzuschreiben, was er zu hören hat. Natürlich kann er hören, was er will...

Absolut, und er kann auch schreiben, was er will. Die Freiheit ist ja jedem gegeben, der einen Internetanschluss und eine Tastatur hat. Was ich traurig finde ist, dass die „Dagegen“-Partei gerade dort unglaublich dominant auftritt, dass auf jeden, der es auch nur vorsichtig positiv fand, von vornherein draufgehauen wird. Und insofern entsteht dort seit einigen Folgen ein Meinungsbild, das sich überhaupt nicht mit den Verkaufszahlen oder den Zuschriften deckt. Wie Stephan schon sagte, diese begeisterten Sachen schreiben die Leute da nicht mehr hin, die schreiben uns eine E-Mail. Und es gibt auch ganz viele Rezensenten, die sich dem nicht mehr aussetzen wollen.

Wir sind da sehr dankbar, dass unsere Hörer erstens sehr treu sind und zweitens auch sehr intelligent sind und es als das nehmen, was es ist: Eine Meinung. Gut, wenn es dann sechs Bewertungen mit einem Stern sind, dann sind es eben sechs Leute, die es grottenschlecht fanden, okay. Aber es ist ja nicht gesagt, dass dann deswegen die Produktion schlecht ist. Und es ist auch nicht gesagt, dass es deswegen jemand schlecht finden muss, der das Gruselkabinett von Anfang an hört und liebt. Natürlich gibt es Menschen, denen wir ein totaler Dorn im Ohr sind, weil wir immer noch da sind, dass wir dreistellig geworden sind und dass das Gruselkabinett nach wie vor ein Erfolgsprodukt ist. Alleine deswegen sind die Messer schon sehr gewetzt. Andererseits ist es natürlich auch so, dass die Messlatte durch eigene „Schuld“ immer höher und höher liegt und deswegen vielleicht einiges nicht mehr gefällt, obwohl man das vor 50 Folgen vielleicht noch als eine Sternstunde gefeiert hätte. Aber das Problem ist ganz normal, das haben auch andere lange laufende Hörspielreihen. Und was natürlich auch in Deutschland eintritt ist dieses System, dass einiges sehr schnell sehr auf einen Thron hochgehoben wird, es aber auch eine unglaublich boshafte Freude gibt, jemanden dort wieder herunterzuschubsen – das kennen wir ja nun seit Marlene Dietrich und Romy Schneider und wie sie alle heißen, auch wenn ich mich da nicht mit in eine Reihe stellen möchte. Man soll es auch nicht höher hängen, als es gehört. Es ist eine sehr wichtige Verkaufsplattform, aber eben nicht der Nabel der Welt. Und es ist auch nicht, dass derjenige, der am lautesten schreit, das Recht gepachtet hat. Das bleibt eine Meinung, die jedem zugestanden ist und ganz demokratisch kund gegeben werden darf und zur Kenntnis genommen wird, aber es ist eben eine einzige Meinung.

Wie geht ihr mit solchen Kritiken um? Bei der „Zeitmaschine“ ist es so, dass ganz häufig angemerkt wurde, dass es zu stark gekürzt wurde und besser auf zwei CDs hätte erzählt werden sollen. Bei „20.000 Meilen unter dem Meer“ haben viele geschrieben, dass ihnen der Fokus zu wenig auf Nemo liegt. Denkst du dann, dass man es doch anders hätte machen können? Trifft dich das?

Er liest es ja nicht. Das muss man jetzt auch mal dazu sagen. Marc hat sich da einfach raus gezogen. Er kriegt durch mich immer mal ein bisschen was mit. Ich muss mich ja auf dieser Verkaufsplattform immer mal tummeln, einfach um zu gucken, ob die Verkaufsinformationen alle richtig sind. Und man muss sagen: Wir haben zu dem Produkt „ja“ gesagt, wie es erschienen ist, und insofern nutzt dann das ganze Gemeckere im Nachhinein auch nichts.

Als kreativ Verantwortlichen trifft mich das natürlich. Deswegen habe ich vor einigen Jahren auch aufgehört, mich dem so geballt auszusetzen. Ich brauche es eben nicht so im Detail. Man gibt ja von sich auch immer eine Menge preis, es ist ja auch ein Kind, welches man mühsam hegt und hübsch macht. Natürlich gibt man es in der Hoffnung raus, dass es geliebt wird. Wenn dem dann nicht so ist, ist es natürlich unangenehm. Ich muss aber gucken, dass ich weiter kreativ bleibe und Spaß an meiner Arbeit habe. Ich habe vor einigen Jahren einfach gemerkt, dass mich das sehr runterzieht. Ich kann es aktuell nicht beurteilen, weil ich es für mich ignoriere, aber die Aggressivität, die damals schon herrschte, wo ich gleich auch immer unglaublich persönlich angegriffen wurde, ist nicht meine Welt. Ich bin auch der Meinung, man sollte da auch nur Dinge hinschreiben, die man auch von Angesicht zu Angesicht sagen würde.

Man muss sich schon sehr wundern, was aus dieser Anonymität aus den Leuten herausbricht. Was wir uns schon lange abgewöhnt haben, dass man kein Produkt schaffen kann, was jedem gefällt. Dem einen gefällt das Cover nicht, dem anderen hätte der Schauspieler in der Rolle besser gefallen – das ist einfach das persönliche Empfinden. Wir machen es so gut, wie wir es können.

Letztlich kann unsere Arbeit nur so funktionieren, dass wir es so machen, wie wir finden, wie es sein sollte und das es richtig ist. Um deine Frage zu beantworten: Es ist hinterher immer sehr schwierig, noch einmal zu überlegen. Ich habe bei Jules Verne nicht so viel Futter gesehen, dass da noch tiefer in die Psyche von Nemo hätte eingedrungen werden können. Und die „Zeitmaschine“ ist so stark nicht gekürzt. Damit es in der Zukunft nicht so unendlich wird, weil er sich dort ja auch nicht so toll mit den Menschen unterhalten kann, ist es da tatsächlich etwas gekürzt, aber es sind auch viele Dinge weggefallen, die ich ehrlich gesagt ziemlich unwichtig oder uninteressant finde. Das Hauptaugenmerk ist einfach die Geschichte um Weena und die Morlocks. Aber das kommt auch ganz oft aus einer Ecke von Menschen, die dann den Film mit dem Buch verwechseln. Die das Buch nie gelesen haben und auch wenn ich die Verfilmung mit Rod Taylor sehr schätze, entfernt sie sich doch teilweise sehr vom Buch und erzählt in Nuancen eine andere Geschichte. Ein Buch ist ein Buch, ein Film ist ein Film und ein Hörspiel muss ein Hörspiel sein. Es gehorcht teilweise anderen Gesetzmäßigkeiten. Ich fand das eine sehr schöne Produktion, die mir sehr viel Freude bereitet hat, besonders was wir an Geräuschen machen durften. Ich fand es sehr berührend und bewegend und bin überrascht, dass das bei dem, was man im Internet sieht, bisher nicht so auf übergroße Gegenliebe gestoßen ist. Wir haben ja auch schon Sachen gehabt, die sich irgendwann total gedreht haben, die Jane Austen-Folgen zum Beispiel. Das war ja auch sowas, wo der versteckte Seitenhieb auf Gruselliteraturleser am Schluss bei einer gewissen Hörerschaft ja überhaupt nicht gut ankam. In Ansätzen kann ich das durchaus auch nachvollziehen, wenn ich mich da hineinversetze, aber ich fand das einen ganz belebenden und schönen Eintrag in der Reihe, aber da hat sich das ja auch mal gedreht. Es kamen ganz viele positive Rezensionen dazu. Ich weiß jetzt nicht, wie aktuell die Sterneverteilung für „Northanger Abbey“ ist, aber ich glaube, dass sie mittlerweile relativ gut ist.

Wirkt sich das irgendwie auf die Verkaufszahlen aus? Oder ist es zurückgegangen, seit ihr gestartet habt?

Es ist nach wie vor kostendeckend, das kann ja auch nicht jede Hörspielreihe von sich sagen. Aber man muss ganz ehrlich sagen, dass es die Verkaufszahlen, die es in den Pionierjahren von uns gab, heute nicht mehr gibt. Aber das liegt nicht an einer geschwundenen Qualität, sondern an dem, was die ganze Branche zu spüren bekam. Irgendwann ist diese Hörspiel-Blase total geplatzt. Es gab diese Karstadt-Pleite, darüber haben wir sehr viel verkauft, die hatten ja wirklich tolle CD-Abteilungen. Als das wegbrach, war das nicht nur für uns ein großes Problem, aber das ist ja auch alles schon zehn Jahre wieder her. Der Markt hat sich seitdem gesund geschrumpft. Wir sind noch da, wahrscheinlich weil wir doch einiges richtig gemacht haben, dass wir das Team klein gehalten haben. Uns hat es nicht so stark erwischt wie andere, sodass wir uns auch mit einem kontinuierlichen Ausstoß an neuen Hörspielen und mit einer kontinuierlichen Qualität die Hörer erhalten haben. Die Kernkäuferschicht ist nach wie vor vorhanden und wir versuchen so gut es geht sie zu hegen und zu pflegen, sodass es noch hoffentlich lange weitergehen kann.

Gibt es eine Folge vom Gruselkabinett, die besonders gut oder besonders schlecht lief?

Tatsächlich ist der „Dracula“ der Spitzenreiter in den Verkaufserfolgen. Das ist ja nun schon auch lange her, aber da wurde ja in den ganzen Hörspielforen geunkt, ob man da noch eine Version von braucht. Da haben wir dann, nachdem die Produktion draußen war, nichts mehr von gehört, weil man sehr deutlich gesehen hat, dass es ein neuer, ein anderer Ansatz gewesen ist und man es mal komplett zu hören bekam. Das ist schon das Ding, welches wir auch am häufigsten nach gepresst haben und was sich auch immer noch verkauft, weil es so ein Klassiker ist. Es ist auch einfach ein tolles Geschenk, mit dem sehr dicken Schuber und diesem wirklich wunderschönen Cover von Firuz Askin, mit dem Dracula-Schloss und dem Sonnenuntergang darauf. Natürlich sind Folgen, die in Grund und Boden geschrieben wurden, manchmal ein Problem. Wir hatten um die 50 herum tatsächlich ein Absatzproblem, weil da so auf „Das Gespenst von Canterville“ eingeschlagen wurde, dass auch ganz normale Gruselkabinett-Folgen, die danach kamen, in den Keller gegangen sind - „Die Mumie“ oder „Die Herrenlose“. Das ist längst schon wieder Geschichte, aber da haben wir einen Einbruch erlebt, weil die Leute so maßlos von „Das Gespenst von Canterville“ enttäuscht waren, dass sie ihren Unmut auch an Stellen geäußert haben, an denen ich es nicht verstanden habe.

Habt ihr eine Lieblingsfolge auf die ihr besonders stolz seid?

„Der Schimmelreiter“!

Das ist einfach einer der stärksten Texte, die wir je vertonen durften. Da muss ich mein Licht gar nicht sehr unter den Scheffel stellen, aber bei Theodor Storm war so viel da, dass ich mich gar nicht sehr bemühen musste, eine gute Dialogfassung zu machen. Da ist zwar viel passiert, ich habe tatsächlich viel gemacht, aber es floss aus mir heraus. Weil die Bilder, die er in seiner Novelle erschaffen hat, so stark gewesen sind, dass es mich völlig hineingesogen hat. Wir hatten eine Besetzung, die sich sensationell auf den Text gestürzt hat, Peter Weis die Erzähltexte so unglaublich schön gestaltet hat, dass wir letztlich einfach überglücklich waren. Wie sich dann herausstellte: Hurra, es passt nicht auf eine CD, was machen wir denn jetzt? Das ist eine ganz schlimme Situation gewesen, weil es bei uns die Produktionskosten unglaublich erhöht hat. Wir konnten es deswegen ohne eine leichte Preiserhöhung auch nicht machen, was sehr viel Unruhe und Unmut gebracht hat. Aber es ging nicht anders, und ich denke, dass es die Sache auch wert ist.

Ihr habt von Benjamin Lebert „Mitternachtsweg“ produziert, die einzige Geschichte, die in der Gegenwart spielt. Benjamin Lebert ist ja auf euch zugegangen. Musstest ihr dafür noch eine Lizenzgebühr bezahlen?

Es ist urheberrechtlich ja schon so, dass wir das Werk eines noch lebenden Autors bearbeiten. Da steht ihm natürlich eine Vergütung zu. Es war so, dass Benjamin Lebert uns eine ganz nette E-Mail geschrieben und uns sein Buch vorgestellt hat, weil er unsere Hörspiele kennt und mag. Er hat sich sehr gewünscht, dass wir das in Angriff nehmen. Wir haben uns in Hamburg getroffen und lange darüber geredet. Wir mochten uns sehr und haben dann ganz brav von seinem Verlag die Lizenz erworben. Die Produktion ist mir auch in allerbester Erinnerung.

Sie ist auch sehr gut angekommen, dadurch dass sie in der Gegenwart spielt. War das schwierig für euch, musstet ihr euch komplett neu herein denken?

Das ist eigentlich nicht so das Problem gewesen. Ich fand es sehr belebend, dass wir auch mal eine Techno-Disco als Handlungsort hatten. Im Grunde ist es aber eine schwarz-romantische Geschichte, die in der Gegenwart spielt. Benjamin Lebert mag aber die Literatur, die wir vertonen und lieben, auch so gerne und hat sich dort auf eine sehr schöne Art und Weise inspirieren lassen.

Immer wieder gibt es Stimmen, die sagen, dass manche Geschichten einfach nicht ins Gruselkabinett passen. „20.000 Meilen unter dem Meer“ zum Beispiel. Warum bringt ihr nicht noch ein „Abenteuerkabinett“ oder etwas in der Richtung? Kann man es unter der Marke Gruselkabinett eher verkaufen als langwierig eine neue Serie ans Laufen zu bringen?

Auf jeden Fall, aber ich hatte auch nicht den Eindruck, dass wir „20.000 Meilen unter dem Meer“ da so reinpressen mussten. Jules Verne ist von der Zeit, in der er gelebt und gearbeitet hat, voll in diesem Spektrum drin, was wir an Literatur vertonen. Und er hat eben auch diese düsteren Anklänge in seinen Figuren, besonders eben in Kapitän Nemo, der eine sehr tragische Figur ist. Ich fand es eine sehr schöne Sache, in so ein klassisches Unterseeboot zu steigen. Es ist auch nicht geplant, noch eine Serie aufzumachen, weil unser Tag ja auch nur 27 Stunden hat. (lacht) Wir schaffen es einfach nicht, mit dem kleinen Team noch mehr zu machen. Wir haben nun mal auch noch ein Leben neben der Arbeit und das würde den Rahmen sprengen.

So eine Serie muss ja auch bedient werden. Es nützt ja nichts, wenn nur ein oder zwei Hörspiele im Jahr herauskommen, die wir dann beim Gruselkabinett wegkürzen müssten. Was meinst du, was dann los ist?

In einem der letzten Interviews ging es um Anne Rice. Ihr habt da auch angefragt und wurdet bitterböse abgesagt. Wie schaut es denn da aus?

Das gleiche Problem besteht immer noch. Man bekommt einfach kein Bearbeitungsrecht, weil alle Stoffe für Filme voroptioniert sind. Und die Option besteht dann leider Gottes über viele Jahrzehnte. Die „Vampire Chronicles“ hätten wir gerne gemacht.

Wir hätten auch sehr gerne diese Biss-Bücher von Stephanie Meyer gemacht. Da kam unsere Anfrage, und dann ging das ab wie eine Rakete. Es gab diesen Film, und dann war es für uns erledigt. Schade, das wäre bei uns gut aufgehoben gewesen.

Ihr habt ja die Holmes-Serie wieder aufgegriffen, der Wallace war aber auch sehr gefragt. Warum habt ihr auf den Holmes gesetzt und nicht auf den Wallace?

Wir wollten so gerne wieder mit Detlef Bierstedt und Joachim Tennstedt ins Studio. Als wir „Anne auf Green Gables“ mit Marie Bierstedt aufgenommen haben, kam sie immer mit Grüßen von ihrem Vater ins Studio. Und der Frage, wann er den wieder den Dr. Watson sprechen dürfe. Das war ganz, ganz süß. Und es kam jede Woche mindestens eine E-Mail, wo gefragt wurde, wann es denn mehr Holmes von uns gibt. Wir haben den Holmes damals auch nur drangegeben, weil Maritim so viel Gas gegeben hat. Es wurden immer die Titel angekündigt, die wir auch als nächstes machen wollten. Auf dieses Spielchen hatten wir irgendwann keine Lust mehr. Wir haben uns dann auf das Gruselkabinett konzentriert, was wohl auch die richtige Entscheidung war. Aber schon zu Anfang haben wir den Holmes total gerne produziert, weil wir die beiden auch als ganz stimmiges Duo in diesen Rollen empfunden. Sie klingen noch jung und dynamisch, es hebt sich von dem ab, was man so üblicherweise besetzt. Bei dem Wallace schätze ich als Konsument die zwölf Hörspiele von Hans-Joachim Herwald, da bin ich mit aufgewachsen. Die habe ich rauf und runter gehört und kann viele noch auswendig, das sind sehr gute Arbeiten. Aber Wallace ist auch ein Vielschreiber gewesen, noch schlimmer als Arthur Conan Doyle. Da wimmelt es vor Logikfehlern, es wiederholen sich auch extrem oft Sachen. Das hat ein bisschen abgeschreckt, diesen Weg zu beschreiten. Wir sind sehr glücklich mit den Jungs aus der Baker Street und ihrer Haushälterin.

Du hast einmal gesagt, dass du zwölf eigene Holmes-Geschichten geschrieben hast und es dazu auch die Cover gibt. Ihr habt dann doch wieder auf Doyle gesetzt. Ich persönlich fände es ja schön, wenn wenigstens einmal im Jahr eine unbekannte Geschichte erscheinen würde. Kannst du dir vorstellen, noch einmal eigene zu machen?

Ach, durchaus! Wir machen auch im nächsten Frühjahr etwas in diese Richtung. Es sind Holmes und Watson, die in wunderbaren, klassischen Kriminalfällen ermitteln, die Stephan bei seinen Recherchen gefunden hat. Normalerweise kommen da Holmes und Watson nicht vor, die werden jetzt von mir da rein gesetzt und dürfen diese Fälle lösen. Wir denken, dass das toll werden und der Reihe noch einmal einen Kick geben wird. Der ist jetzt zwischendurch mal fällig. Es geht auch mit klassischen Sachen weiter, aber genau wie du sagst: Es wird jetzt mal ein bisschen Frischfleisch geben. Mit Fällen, die so noch keiner kennt, weil sie eben geheim sind.

   

Das wird aber wiederum einige traurig stimmen, weil viele auf den Hund von Baskerville warten. Ich habe mal nachgerechnet, es wäre die 34 oder 35 wenn ihr chronologisch bleibt. Jetzt schiebt er sich automatisch wieder nach hinten.

Da würde ich die Hoffnung nicht aufgeben, das kann manchmal schneller gehen als man denkt. Das wird auch wirklich andauernd gefragt, wann das kommt. Wahrscheinlich wird das auch wieder so sein, dass es dann eine andere Klientel ganz doof finden wird – hoffen wir mal nicht.

Hast du dich denn damit schon auseinander gesetzt? Wird es auf einer CD kommen?

Nein, das schaffe ich nicht auf einer CD, das wird eine Doppelfolge. Ich finde es einen wunderbaren Roman, mich juckt es sehr in den Fingern, das umzusetzen. Man muss aber dazu sagen, dass es ein Fall ist, in dem der Holmes so gut wie nicht vorkommt. Nicht, dass das hinterher kritisiert wird. Wie der geneigte Leser oder Hörer weiß, ist es dort ein bisschen anders gelöst – man darf gespannt sein. Aber ich finde, dass von der Ausstrahlung ganz wundervoll, dieses Moor und der Nebel und dieser Geisterhund, das ist sehr inspirierend und schön. Das möchte ich sehr gerne machen. So Gott will auch nächstes Jahr.

Gibt es Sprecher, mit denen ihr besonders gern zusammenarbeitet? Oder gar nicht?

Ich kann jetzt natürlich keine Namen aufzählen, mit denen wir schon gearbeitet haben und wo es nicht so toll war. Aber es sind ganz wenige, man kann tatsächlich an einer Hand abzählen, wo es im Studio schwierig war. Wo man am Ende sehr professionell sein musste, um noch zu einem guten Ergebnis zu kommen und hinterher gesagt hat, dass man das jetzt nicht noch einmal braucht. Letztlich sieht man ja auf unserer Homepage, mit wem wir besonders gern zusammenarbeiten. Wenn wir mit Menschen nicht so häufig zusammenarbeiten, spielen auch manchmal andere Geschichten eine Rolle, zum Beispiel dass wir in letzter Zeit nicht so häufig in München waren. Wie Frau Körting und alle anderen Regiekollegen haben aber auch wir diejenigen, wo man weiß, dass sie einem vom Herzen und vom Verstand so nahe sind. Man will das gleiche, geht zusammen ins Studio und es ist, als wenn du den Schlüssel am Auto rumdrehst. Man muss gar nicht viel sagen, sondern weiß genau, wo man hin will. Sie wissen genau, was ich möchte und haben aus den Manuskript gelesen, was jetzt gefordert ist. Und da weiß ich auch, bei meinen allerliebsten genau, dass es wunderbar funktionieren wird. Es muss immer auch ein bisschen familiär sein. Einer von den Schauspielern hat auch mal so drollig gesagt: „Die Atmosphäre bei Titania Medien fängt schon an der Tür an, wenn man ins Studio kommt.“ Das fand ich ganz, ganz süß ausgedrückt und ist das, wo wir auch hinwollen. Dass es eine herzliche Arbeitsatmosphäre ist, dass der Schauspieler das berechtigte Gefühl hat, dass man ihn ganz bewusst ausgesucht hat, um Großes zu vollbringen. Um uns glücklich zu machen und insbesondere die Hörer glücklich zu machen. Und es entsteht etwas, das lange Bestand haben wird, was im besten Fall noch Generationen hören können.

Anne auf Green Gables“ kam ja relativ gut an. Warum habt ihr später nichts mehr in dem Stil gemacht? Thomas Birker hat ja „Der Trotzkopf“ gemacht, es gab wohl auch Kontakt zwischen euch. Man kann es aber nicht wirklich vergleichen mit eurer Anne.

Wobei ich vorsichtig anmerken möchte, dass die Qualität der Vorlage bei Anne mehr gegeben ist als beim Trotzkopf. Auch die Nesthäkchen-Bücher liegen bei mir drüben, ich habe auch den ersten Band schon gelesen. Da muss man ja auch aufpassen, nach dem Krieg sind die sehr stark gekürzt und bearbeitet worden. Wir haben jetzt über lange Zeit Bücher aus den 20er- und 30er-Jahren erworben, wo man die Nesthäkchen-Geschichten unverfälscht und in Sütterlin-Schrift lesen kann. Ich hatte aber schon nach dem ersten Band das Gefühl, dass es einfach nicht so gut ist wie die Anne-Bücker von der Lucy Maud Mongomery. Das ist ein Problem, wenn man als erstes etwas in der Richtung gemacht hat, was sämtlichen Qualitätsansprüchen genügt. Es wird ganz schwierig, sich für etwas zu entscheiden, weil man es selber, und der Hörer später auch, daran messen wird.

Also kein Nesthäkchen?

Ich kann es abschließend noch nicht sagen, aber es sieht nicht so gut aus. Nach der Sichtung von Band eins habe ich nicht allzu viel Lust, es zu machen. Aber ich lese Band zwei, sobald ich Zeit habe. (lacht) Der Markt für Kinder ist sehr schwierig, es war auch sehr schwierig, Anne erst einmal am Markt zu platzieren, es ist zunächst auch gar nicht so gut gelaufen. Aber dann ging es ja ab wie eine Rakete. Es wurde ja sehr geliebt von den Leuten, nach wie vor, egal ob das Kinder sind oder junge Erwachsene oder Twens oder Großmütter oder das ganze Mittelfeld. Wirklich über alle Generationen hinweg wird es unglaublich geliebt. Alle, die an dem Projekt mitgearbeitet haben, sind so glücklich, dass wir so viel Freude damit schenken konnten. Aber es hat uns auch beim Produzieren schon so viel Freude gemacht.

Aber es gibt ja noch Bände. Man könnte theoretisch noch mal einen Band nachschieben.

Ich habe am Anfang ja schon gesagt, dass da Schluss ist, das hat auch dramaturgische Gründe. Die Bände, die sie danach geschrieben hat, haben nicht mehr diesen Witz und werden auf einmal sehr routiniert. Wenn dann der Weltkrieg kommt, wird es auch sehr düster. Da passieren richtig schlimme Sachen, wo ich beim Lesen schon gedacht habe: Um Gottes willen, das können wir nie im Leben vertonen. Um nur mal eine Geschichte zu erwähnen: Ein Kind von Anne und Gilbert ist befreundet mit einem Jungen, der nach Europa geschickt wird, um im ersten Weltkrieg zu kämpfen. Es ist schon ganz schwierig für mich, das zu erzählen, weil ich es so schlimm finde. Der kleine Junge hat so Angst um den, der in Europa ist, dass er einen Hund, den er unglaublich liebt, im Bach ertränkt. Weil er denkt, dass er dadurch das Leben seines Freundes retten kann. Das ist so eine Sache gewesen, die ich ganz furchtbar fand. Das wird dann von Anne auch lang und breit aufgearbeitet, dass der Gott, an den wir glauben, nicht so denkt und man ein Leben nicht gegen das andere aufrechnen darf. Man muss dazu wissen, dass Lucy Maud Montgomery mit den Jahren auch eine schwere Depression entwickelt hat, und das schlägt sich in den Büchern nieder. Da habe ich von Anfang an zu Stephan gesagt: Will man, dass die Reihe jetzt so endet? Mit gefallenen Kindern im Weltkrieg und Kindern, die den Krieg erklärt bekommen müssen. Wir haben uns dann beide dagegen entschieden. Es endet jetzt so, dass man Anne und Gilbert und alle anderen in die Phantasie der Hörer entlässt. Die Bücher beschreiben eben, dass es ihnen nicht immer gut geht, und das möchte ich nicht so gerne vertonen. Ich habe immer gedacht, ob wir nicht doch noch einmal reinschauen, bin jetzt aber der felsenfesten Überzeugung, dass es die richtige Entscheidung war, es nicht zu tun.

Ich erinnere mich daran, als wir das erste mal die vierte Folge gehört haben. Als Matthew gestorben ist.

Das war auch eine Szene, wo Carsten und ich ganz schnell drübergemischt haben und wo wir auch ganz schnell den Kopfhörerdurchgang gemacht haben, weil es wirklich schlimm für uns war. Keiner hat den anderen angeschaut. Und auch für Marie Bierstedt war das die Hölle, diese Szene zu spielen. Wir mussten danach echt eine große Pause machen, weil wir alle im Studio so geweint haben. Weil es so schlimm war. Im Mastering-Studio genau dasselbe. Es kam diese Szene, und es war eine echt betretene Stimmung. Wir lesen das auch immer wieder, aber man kommt einfach nicht drumrum. Wir haben es kürzlich erst einer neu gewonnenen Freundin geschenkt, und dann kam eine SMS: Wie könnt ihr mir sowas antun, mein ganzer Tag ist versaut.

Wie viele andere Hörspielproduzenten haltet ihr euch aus den wenigen Hörspielforen heraus, die es noch gibt. Es ist doch eigentlich ein guter Draht zum Hörspieler. Kommt man zu schnell in eine Verteidigungsposition?

Das ist mit Sicherheit eine große Gefahr. Wir bemühen uns da um eine professionelle Distanz. Was wir auch gar nicht gerne tun ist, die eigenen Werke zu interpretieren oder zu erklären. Das muss man vertrauensvoll in andere Hände geben. Das finde ich auch in anderen Medien nicht so gelungen, wenn diejenigen, die es gemacht haben, den anderen sagen, wie sie es finden sollen. Ich habe größtes Vertrauen, dass es hoffentlich richtig ankommt.

Ist Facebook da besser? Auch da schreibt ihr ganz selten etwas zu Dingen, die da aufkommen. Man kann da ja ganz schnell eine Diskussionslawine lostreten. Muss man da auch vorsichtig sein?

Absolut. Wir hatten es bei Facebook auch schon ein paar mal, dass wir zu Dingen Stellung bezogen haben und das schief ankam. Dann ist es wahrscheinlich besser, die alte Weisheit zu befolgen mit „Never explain, never complain“. Nicht erklären und nicht beklagen.

Gibt es eine Vorlage, die du gerne mal umsetzen würdest?

Da kommt in den nächsten Jahren sicherlich etwas interessantes auf die Hörerschaft zu, aber das kann ich jetzt noch nicht verraten.

Kommt es denn im Gruselkabinett?

Nein, es wird was eigenes werden, was aber auch auf eine bestimmte Folgenzahl begrenzt ist. Ich bin aber sehr demutsvoll und sehr dankbar für das, was ich alles schon umsetzen durfte. Es sind so viele Sachen, die ich unendlich liebe. „Dracula“ und „Frankenstein“ und „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ oder auch „Jagd der Vampire“. Dass die Wells-Sachen jetzt möglich sind, ist einfach ein Geschenk. Es ist schon toll, was da bis jetzt ging.

Was bekommen wir denn in näherer Zukunft von euch zu hören, was zu schon einmal teasern möchtest?

Wir machen das Gruselkabinett-Frühjahr mit „Sweeny Todd“ auf, was auch so ein Herzensprojekt ist. Aber bei uns wird nicht gesungen. (lacht) Das ist eine sehr blutvolle Kriminalgeschichte, die mit Sicherheit den einen oder anderen Hörer sehr in Verzückung versetzt. Dann von Willy Seidel, ein deutscher Autor, „Das älteste Ding der Welt“. Ein absoluter Klassiker der deutschen Phantastik, von dem ich noch nie etwas gehört habe. Ich weiß auch nicht, woher Stephan diesen Tipp hatte und wie er darüber gestolpert ist, aber es ist sensationell interessant, was da verhandelt wird. Das ist auch jemand, der Lovecraft und seine Freunde beeinflusst hat, da freue ich mich wahnsinnig drauf. Dann kommt etwas raus, das „Brickett Bottom“ heißt, eine Geschichte, wo eine Dame in einem geheimnisvollen Haus verschwindet. Robert E. Howard war lange nicht zu Gast, da kommt was sehr schönes, das „Aus finsterer Tiefe“ heißt. Da geht es um einen ertrunkenen Seemann, der angespült wird. Da gehen die Meinungen sehr auseinander, ob er es denn ist oder nicht, und dann passieren schreckliche Dinge in diesem Ort – und es werden nicht alle überleben. Und von Wells machen wir „Das Königreich der Ameisen“, wo es mit dem Schiff den Amazonas hinaufgeht und da die Ameisen grauenvolle Dinge anrichten. Und dann freuen wir und sehr darauf, dass Holmes eine geheime Frischzellenkur bekommen wird. Die beiden Geschichten sind ganz hervorragend und beleuchten nochmal ganz andere Aspekte als bei Doyle – zumindest werde ich das in den Manuskripten so hinschustern.

   

Die berühmten letzten Worte? Möchtest du euren Hörern noch etwas sagen?

Wir sind nach wie vor sehr, sehr, sehr glücklich, dass die Dinge, die hier mit viel Herzblut entstehen, Wert geschätzt, gemocht und gekauft werden. Wir freuen uns über die Zuschriften und darauf, weiter für gute Unterhaltung sorgen zu dürfen. Denn darum geht es ja. Das wird auch oft vergessen. Da wird dann manchmal die Zeit gestoppt, wann Brutalität im Hörspiel vorkommt und daran wird dann der Gruselfaktor bemessen. Aber es geht darum, den Hörer gut zu unterhalten und in eine eigene Welt zu entführen. Den Hörer in eine Atmosphäre einzulullen, die aus diesen Werken entsteht. Wir wären sehr froh, das noch eine ganze Reihe von Jahren weiter machen zu dürfen.

Schön! Danke für das Interview!

Du, danke, dass du hier warst und so viele tolle Fragen hattest.

 

Interview Copyright: poldis-hoerspielseite.de / August 2017

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