Sherlock Holmes: Die neuen Fälle – 22. Die schreiende Tänzerin



Erster Eindruck: Ein Phantom in der Oper?

Langsam spricht sich in London auch außerhalb der Kunstszene herum, dass die Ballerina ihre Auftritte seit einiger Zeit im Opernhaus unter lauten Geschrei abbricht – und in Nachhinein nichts mehr davon weiß. Sherlock Holmes wird zu dem Fall hinzugezogen, ist aber von Anfang an nicht sonderlich angetan und hält die Tänzerin lediglich für etwas überspannt...

Sherlock Holmes – immer messerscharf analysierend, die Gefühle bei seinen Ermittlungen außer acht lassend, Vernunftmensch durch und durch. Ebendiese Figur in ein Umfeld zu versetzen, dass das völlige Gegenteil hiervon ist, haben die Macher der Sherlock Holmes-Serie von Romantruhe Audio nun in ihrer 22. Folge gewagt. Seine Ermittlungen im Bereich des Theaters, mit einer dramatischen Tänzerin, wo vieles mehr Schein als Sein ist, sind sehr unterhaltsam geraten und stellen genau diese Kontraste sehr gelungen in den Mittelpunkt. Das ist mit vielen spöttischen Kommentare sehr witzig und kurzweilig gelungen, nimmt die Szenerie aber dennoch ernst und präsentiert eine ungewöhnliche Handlung, denn die Aussetzer der Ballerina bleiben auch für den Hörer lange Zeit ein Rätsel. Nur langsam nähert man sich den Hintergründen, es werden verschiedene Theorien entwickelt und wieder verworfen, wobei sich die Handlung immer weiter verdichtet. Dabei ist der Hörer auch bei einigen Auftritte der schreienden Tänzerin dabei und kann die fast gespenstische Szene miterleben. Charakterstarke Nebenrollen, spritzige Dialoge und ein wenig adelige Einflussnahme ergänzen die Folge, deren Auflösung dann sehr ungewöhnlich für ein Hörspiel und auch sehr berührend ist. Diese etwas künstlerischere, emotionalere Sherlock Holmes-Geschichte gefällt mir äußerst gut, nicht nur weil der Charakter der Hauptfigur dabei noch weiter herausgestellt wird.

Nicole Hannak ist als Tänzerin Daria Markos zu hören, ihre verletzliche und sanfte Seite kommt sehr gut zur Geltung, ihr markerschütternder Schrei setzt immer wieder sehr gekonnt Akzente. Auch Ulrike Möckel hat mir als Lady Agnes Collins sehr gut gefallen, ihre überspitzte und leicht aufdringliche Art bringt zusätzlichen Schwung in die Handlung. Peter Weis überzeugt mit seiner sehr speziellen Stimme in der Rolle des Enrico Morelli, der über lange Strecken des Hörspiels undurchschaubar bleibt. Weitere Sprecher sind Uwe Jellinek, Nicolai Tegeler und Lutz Harder.

Akustisch ist diese Folge während der Dialoge wie immer recht sparsam umgesetzt, wobei als Solo-Instrument dieses mal eine Klarinette im Einsatz ist, deren wehmütiger Klang sehr gut zu der Stimmung der Folge passt. Der Schrei der Tänzerin als zentrales Klangelemente der Folge wird durch ein Ballettstück aus der Feder von Alexander Schiborr untermalt, sodass alles sehr gut zusammenpasst.

Lidia Beleninova hat das Titelbild zu dieser Folge geschaffen, wobei sie Daria Merkos in eleganter Pose auf der Londoner Operbühne in den Mittelpunkt stellt. Zwei auf die Bühne laufende Männer und ein schockiertes Publikum ergänzen das Motiv, das von seiner gelungenen Farbgebung lebt. Das dunkle Grün des Rahmes zieht sich natürlich wieder durch die gesamte, schlichte Aufmachung.

Fazit: Sherlock Holmes ermittelt hier man in einem ihm fremden, fast gegensätzlichen Milieu, was interessante Kontraste und Sichtweisen aufdeckt. Die Geschichte über die schreibende Tänzerin ist sehr rätselhaft, lange Zeit wird nicht klar, was hinter den effektvollen Auftritten steckt, sodass der Hörer während der gesamten Laufzeit von immerhin 80 Minuten sehr gut unterhalten wird.

VÖ: 20.November 2015
Label: Romantruhe Audio
Bestellnummer: 978-3-86473-102-0

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